Der Begriff „Pestizide“ wird häufig gleichbedeutend für Pflanzenschutzmittel verwendet. Darunter versteht man Substanzen, die überwiegend eingesetzt werden, um die Gesundheit von Kulturpflanzen zu erhalten und ihrer Vernichtung durch Krankheiten und Schädlingsbefall vorzubeugen. Hierzu zählen Herbizide (Mittel gegen Unkraut), Fungizide (Mittel gegen Pilzerkrankungen), Pflanzenwachstumsregulatoren und Repellentien (Abwehrmittel). Auch Insektizide, die nicht zur direkten Anwendung an Pflanzen, sondern zur Bekämpfung von deren Schädlingen und Krankheitsüberträgern wie Insekten, Ratten und Mäusen bestimmt sind, werden zu den Pestiziden gezählt, darunter z.B. Molluskizide (Mittel gegen Schnecken), Akarizide (Mittel gegen Milben) und Rodentizide (Mittel gegen schädliche Nagetiere). Pestizide enthalten entweder einen oder mehrere Wirkstoffe, bei denen es sich meist um synthetische chemische Substanzen handelt.

Unter den Umweltgiften stellen Pestizide (Pflanzenschutzmittel) eine große Bedrohung dar, da sie lange Zeit in der Umwelt verbleiben können und sich im Gewebe von Tieren und Menschen anreichern. Man spricht von Jahren oder vielmehr Jahrzehnten bevor sie abgebaut werden. Daher werden sie als persistente organische Schadstoffe (POP) eingestuft. POPs verbleiben in der Umwelt, akkumulieren über die Nahrungsketten und stellen ein großes Risiko für die Umwelt und die menschliche Gesundheit dar.

Einige epidemiologische Studien zeigen einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der berufsbedingten Exposition gegenüber Pestiziden und der Entwicklung der Alzheimer-Krankheit, insbesondere bei Personen, die direkt auf Feldern arbeiten und somit direkten Kontakt mit den Substanzen bekommen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass auch Personen, die weder beruflich Pestiziden ausgesetzt sind noch in Gebieten mit hohem Kontaminationsrisiko leben, hohe Konzentrationen von Pestiziden oder deren Stoffwechselprodukten in ihrem Blut aufweisen.

Das Organochlorpestizid DDT und sein Stoffwechselprodukt DDE

Im Jahr 2009 [1] zeigte eine kleine Studie, dass die Serumspiegel von DDE (p,p‘-Dichlordiphenyldichlorethylen), einem Stoffwechselprodukt (Metabolit) des Organochlorpestizids DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan), bei Alzheimer-Patienten höher waren als bei Teilnehmern der Kontrollgruppe.

Im Jahr 2014 wurde in der Fachzeitschrift The Lancet Neurology eine Studie [2] veröffentlicht, die den Zusammenhang zwischen dem Pestizid DDT und der Alzheimer-Erkrankung weiter untersuchte. Die Ergebnisse waren so eindeutig, dass wir sie im Folgenden im Detail beschreiben werden. In der Studie wurden verschiedene Experimente durchgeführt: Zunächst wurde die Metabolite DDE im Blut von Alzheimer-Patienten und in der Kontrollgruppe untersucht. Die untersuchte Gruppe war deutlich größer als in der 2009 veröffentlichten Studie zu diesem Thema. Der ApoE-Genotyp (Bestimmung der ApoE-Genvariante des Patienten) wurde ebenfalls untersucht, um eine mögliche Korrelation zwischen dem Genstatus und der Pestizidbelastung herzustellen.

Parallel dazu wurden die Gehirne von Personen, bei denen Alzheimer diagnostiziert wurde und daran verstorben sind, nach ihrem Tod unter die Lupe genommen: hierbei wurde die Pestizidmenge im Hirngewebe gemessen und diese Werte mit den Werten der DDE-Messung im Blut, das vor dem Tod des Patienten entnommen wurde, korreliert.

Schließlich wurde ein in-vitro-Experiment (im Reagenzglas) durchgeführt, bei dem Gehirnzellen DDE und DDT ausgesetzt wurden, um die Entstehung des AP-Proteins, dem Vorläuferprotein von Amyloid-beta (letzteres ist der Bestandteil der Alzheimer-typischen Ablagerungen) als Reaktion auf die Anwesenheit des Pestizids zu bewerten.

Die Ergebnisse der Studie sind im Folgenden zusammengefasst:

  • Obwohl DDE sowohl in der Kontrollgruppe als auch in den Alzheimer-Fällen nachgewiesen wurde (was bestätigt, dass dieses Pestizid in fast der gesamten Bevölkerung vorhanden ist, unabhängig von der beruflichen Exposition!), war die Konzentration dieses Metaboliten bei den Patienten deutlich höher als bei den Kontrollen. Es gab auch eine Dosis-Wirkungsbeziehung: Je höher die Konzentration im Blut war, desto größer waren auch die kognitiven Defizite, welche mit dem Mini Mental State Examination (MMSE) gemessen wurden. Dies bestätigt, dass eine Belastung mit DDE im Blut sowohl mit der Entwicklung der Alzheimer-Krankheit als auch mit der Schwere der Erkrankung zusammenhängt, d. h. je höher der DDE-Blutspiegel, desto schwerer sind die Symptome.
  • DDE wurde im Gehirngewebe von Alzheimer-Patienten nachgewiesen, und die Gehirnwerte korrelierten gut mit den im Blut nachgewiesenen Werten. Dies deutet darauf hin, dass dieses Toxin die Blut-Hirn-Schranke leicht überwinden kann.
  • Das Tragen der ApoE4-Genvariante in Verbindung mit hohen DDE-Konzentrationen im Blut führte zu einem noch höheren Risiko für kognitive Beeinträchtigungen. Dies bestätigt, dass mehrere Risikofaktoren zu einem additiven Effekt bzgl. des Risiko der Krankheitsentwicklung und der Symptomatik beitragen.
  • Die Exposition menschlicher Gehirnzellen gegenüber DDE und/oder DDT erhöhte die Produktion des Amyloid-Vorläuferproteins (APP), was beweist, dass dieses Toxin die Bildung von Amyloid-Plaques, einem wichtigen pathologischen Marker der Alzheimer-Krankheit, induzieren kann.

Zusammengenommen zeigen diese Ergebnisse, dass die Alzheimer-Erkrankung als ein möglicher DDT-Spätschaden durch DDT (und seinen Metaboliten DDE) angesehen werden kann.

DDT wurde zwischen 1940 und 1970 weltweit in großem Umfang sowohl in der Landwirtschaft zum Pflanzenschutz, aber auch als Insektizid zur Bekämpfung von (durch Insekten übertragenen) Infektionskrankheiten, einschließlich Malaria, eingesetzt. Da es beim Menschen kurzfristig keine Schäden verursachte, wurde dieses Pestizid weiterhin verwendet und galt eine Zeit lang als große wissenschaftliche Errungenschaft. Nach 20 Jahren wahllosen Einsatzes führten seine Auswirkungen in der Natur, einschließlich des Vogel- und Fischsterbens, und auf die menschliche Gesundheit (Verbindung mit Krebsfällen und nachgewiesener hormoneller Störung) jedoch 1972 zum Verbot dieser Substanz in den Vereinigten Staaten und Europa. Dennoch wird DDT in Entwicklungsländern weiterhin legal (aber auch illegal) eingesetzt. Obwohl es stark umstritten war, befürwortete die Weltgesundheitsorganisation 2006 die Wiedereinführung von DDT zur Ausrottung von Malaria [3]. Die menschliche Bevölkerung ist also weiterhin in erheblichem Maße exponiert.

Trotz der erschreckenden Ergebnisse gibt es nur wenige Studien, die das neurotoxische Potenzial von DDE/DDT untersuchen. Es ist auch klar, dass die Bekämpfung von durch Insekten übertragenen Infektionskrankheiten in Entwicklungsländern ein ernstes Problem darstellt und dass es wichtig ist, die Ernte (selbst zu einem hohen Preis) in Regionen zu sichern, in denen noch immer Hunger herrscht. Jedoch sollte es mit dem Wissen und der Technologie der heutigen Welt möglich sein, Wege und Lösungen zu finden, die weniger schädlich für die Gesundheit des Planeten und der Menschen sind.

Referenzen

  1. Richardson JR, Shalat SL, Buckley B, Winnik B, O’Suilleabhain P, Diaz-Arrastia R, Reisch J, German DC. Elevated serum pesticide levels and risk of Parkinson disease. Arch Neurol. 2009 Jul;66(7):870-5. doi: 10.1001/archneurol.2009.89. PMID: 19597089; PMCID: PMC3383784.
  2. Richardson JR, Roy A, Shalat SL, von Stein RT, Hossain MM, Buckley B, Gearing M, Levey AI, German DC. Elevated serum pesticide levels and risk for Alzheimer disease. JAMA Neurol. 2014 Mar;71(3):284-90. doi: 10.1001/jamaneurol.2013.6030. PMID: 24473795; PMCID: PMC4132934.
  3. Rehwagen C. WHO recommends DDT to control malaria. BMJ. 2006 Sep 23;333(7569):622. doi: 10.1136/bmj.333.7569.622-b. PMID: 16990319; PMCID: PMC1570869.