Die Lage spitzt sich zu: Während die Alzheimerzahlen deutschland- wie auch weltweit dramatisch zunehmen, scheint ein pharmakologischer Durchbruch noch weit entfernt zu sein. In den letzten Jahren sind einige vielversprechende Antikörper-Präparate entwickelt worden, die es bis in die letzte Phase der klinischen Zulassung schafften. Fast alle sind bislang aufgrund unzureichender Wirksamkeit allerdings gescheitert – und ist es keinem einzigen gelungen, den geistigen Zerfall aufzuhalten.

Angriffspunkt der Alzheimer-Antikörper und Wirkungsprinzip

Gemäß der Amyloid-Hypothese ist das Amyloid-beta-Protein (Aβ), ein Hauptbestandteil der extrazellulären Ablagerungen (Plaques) im Gehirn, der Auslöser des Krankheitsprozesses der Alzheimererkrankung und daher ein attraktives Ziel für pharmakologische Maßnahmen. Aβ kommt in verschiedenen Formen vor, die sich in ihrer Größe und Löslichkeit, und somit in ihrer Neurotoxizität (Giftwirkung im Nervengewebe) unterscheiden.

In der Arzneimittelforschung wurden in den letzten Jahren gezielt Substanzen in Form von Antikörpern hergestellt, die mit sehr hoher Präzision gegen diese verschiedenen Aß-Formen wirken, mit dem Ziel, die Ablagerungen über verschiedene Wirkmechanismen aufzulösen und zu entfernen. Eine derartige Immuntherapie mit Antikörperpräparaten gilt als eine sehr vielversprechende pharmakologische Behandlungsoption für Alzheimer. Die Endung „-mab“ in den Präparat-Bezeichnungen dieser Immuntherapeutika steht dabei für „monoclonal antibody“, übersetzt: monoklonale Antikörper. Darunter versteht man immunologisch aktive Proteine, die sich nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip hochspezifisch gegen bestimmte Protein-Strukturen richten.

Abgeschlossene und laufende klinische Studien

Bereits vor einigen Jahren sind bereits die Anti-Alzheimer-Wirkstoffe mit den Namen Solanezumab (Eli Lilly) und Bapineuzumab (Janssen und Pfizer) wegen fehlender klinischer Wirksignale gescheitert. Im Jahr 2022 haben auch Crenezumab und Gantenerumab, zwei Kandidaten des Schweizer Pharmakonzerns Roche, gegenüber der fatalen Gehirnerkrankung keine Wirkung gezeigt und somit auch im klinischen Zulassungsprozess versagt.

Auch der bislang vielversprechendste Arzneimittelwirkstoff Aducanumab (Biogen/Eisai), der es im Jahr 2021 zur Zulassung schaffte, allerdings in einem äußerst umstrittenen Zulassungsverfahren und nur in den USA, ist in seiner Wirksamkeit fraglich. In Europa wurde seine Zulassung von der europäischen Zulassungsbehörde für Arzneimittel EMA wegen „einer nicht nachgewiesenen Wirksamkeit und möglichen schwerwiegenden Nebenwirkungen des Medikamentes“ abgelehnt. Mit der Zulassung in USA ist Aducanumab das erste neue Alzheimermedikament seit 2003. Seine bremsende Wirkung auf den kognitiven Zerfall wurde mit 22 % angegeben, allerdings mit lebensgefährlichen Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen und –blutungen bei mehr als 30 % der Studienteilnehmer unter enorm hohen Therapiekosten. Der Patientennutzen bleibt somit fraglich. Mehr zu dem Zulassungsdebakel um Aducanumab lesen Sie bitte hier.

Aktuell befinden sich zwei monoklonale Antikörper gegen Aβ in der späten Phase der klinischen Entwicklung: Donanemab des Pharma-Konzerns Eli Lilly (Trailblazer-ALZ2-Studie) und Lecanemab der Unternehmen Eisai und Biogen (Clarity-AD-Studie). Beide sind monoklonale IgG1-Antikörper, die auf unlösliche, also verklumpte Formen von Aβ abzielen.

Kürzlich wurde das Ergebnis der Clarity-AD-Studie mit Lecanemab in einer Pressemitteilkung der Herstellers Biogen veröffentlicht: Lecanemab hat bei Patienten den geistigen Verfall um 27 % verlangsamt, eine schnelle Marktzulassung wird von den Herstellern Biogen und Eisai angestrebt. Wie diese Studie zu bewerten ist, lesen Sie bitte hier.

Das Ergebnis der Trailblazer-ALZ2-Studie mit Donanemab wird 2025 erwartet.

Wirksamkeit der monoklonalen Antikörper im Vergleich zum ReCode-Konzept nach Dr. Bredesen

Ganz besonders ernüchternd bilden sich die Studien-Daten der Antikörper-Monotherapien im Vergleich mit der im Jahre 2021 erschienenen klinischen Pilotstudie des ReCode-Konzeptes nach Dr. Dale Bredesen ab (siehe Abbildung). Hier wird deutlich, dass die monoklonalen Antikörper lediglich in der Lage sind, die Verschlechterung des kognitiven Verfalls etwas zu verlangsamen, ihn aber nicht stoppen oder heilen können, und das mit einem gewaltigen Risiko an fatalen Nebenwirkungen. Die individualisierte ReCode-Therapie nach Dr. Bredesen erfasst und behandelt – im Gegensatz zu den Monotherapien mit den Antikörperpräparaten – 36 mögliche Risikofaktoren, die ursächlich mit der Alzheimerkrankheit in Verbindung stehen. Wie die Abbildung zeigt, hat die ReCode-Pilot-Studie im direkten Wirkungsvergleich bewiesen, dass es durch einen multifaktoriellen, lebensstil-orientierten Behandlungsansatz durchaus möglich ist, den Krankheitsverlauf von Alzheimer, insbesondere im frühen Stadium, zu stoppen und sogar rückgängig zu machen.

Abbildung: Effektivität der Therapien mit monoklonalen Antikörpern in Vergleich zum multimoldalen Behandlungskonzept ReCode (modifiziert nach https://www.apollohealthco.com/alzheimers-reversal)

Fazit:

In den letzten Jahren wurde eine neue Form von Anti-Alzheimer-Medikamente entwickelt: monoklonale Antikörper (Endung „-mab“), die sich gezielt gegen die Alzheimer-spezifischen Amyloid-Ablagerungen richten. Auch wenn diese Plaques im Gehirn der Alzheimer-Patienten nach der Behandlung mit diesen neuen Wirkstoffen zum Teil deutlich reduziert werden konnten, bleibt die klinische Wirksamkeit aller bislang getesteten Präparate äußerst gering und der Nutzen für die Patienten fraglich. Dagegen ist das Risiko für fatale Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen und Hirnblutungen, wie auch der Kostenfaktor für die Therapie enorm hoch. So sind auch die neuen Alzheimermedikamente nicht wie erwartet der medikamentöse Durchbruch, der diese schreckliche Krankheit aufhalten kann.

All dies scheint vor dem Hintergrund, dass wirksame, nebenwirkungsfreie und deutlich weniger kostenintensive Lebensstil-orientierte Präventions- und Therapiekonzepte zur Verfügung stehen, geradezu paradox. Zum Glück haben Sie mit diesem Wissen die Wahl, sich für die richtige Therapie für Ihre geistige Gesundheit zu entscheiden!

Referenzen:

  1. Söderberg L, Johannesson M, Nygren P, Laudon H, Eriksson F, Osswald G, Möller C, Lannfelt L (2022) Lecanemab, Aducanumab, and Gantenerumab – Binding Profiles to Different Forms of Amyloid-Beta Might Explain Efficacy and Side Effects in Clinical Trials for Alzheimer’s Disease. Neurotherapeutics 2022 Oct 17. doi: 10.1007/s13311-022-01308-6.
  2. https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT03367403
  3. https://www.clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04437511
  4. https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT03887455
  5. Mintun M, Lo AC, Evans CD et al. (2021) Donanemab in Early Alzheimer’s Disease. N Engl J Med 2021; 384:1691-1704, DOI: 10.1056/NEJMoa2100708
  6. https://www.alzforum.org/therapeutics/aduhelm
  7. https://investors.biogen.com/news-releases/news-release-details/lecanemab-confirmatory-phase-3-clarity-ad-study-met-primary
  8. K Toups, A Hathaway, D Gordon, H Chung, C Raji, A Boyd, BD. Hill, S Hausman-Cohen, M Attarha, WJ Chwa, M Jarrett, DE Bredesen (2021) Precision Medicine Approach to Alzheimer’s Disease: Successful Pilot Project. Journal of Alzheimer’s Disease 88 (2022) 1411–1421 DOI 10.3233/JAD-215707