Wir wissen heute, dass die Alzheimer Demenz eine multifaktorielle Stoffwechselerkrankung ist, und dass eine mögliche Ursache in der Störung des Zucker- und Insulinstoffwechsels liegt. Der Zusammenhang dieser Erkrankungen, also zwischen Diabetes mellitus und Alzheimer, gilt von Seiten der Alzheimerforschung mittlerweile als gesichert. Demzufolge wurde diese Form der Alzheimer-Erkrankung auch als Diabetes Typ-3 bezeichnet. Charakteristisch für dieses Krankheitsbild ist, dass es trotz Überflutung des Blutes mit Zucker (Glukose) zu einem folgereichen Energiemangel und damit einer energetischen Unterversorgung im Gehirn kommt.

Aber die gute Nachricht ist: Es gibt neben der Glukose andere potenzielle Energieträger, die das Gehirn nutzen könnte und somit aus der Energiekrise herauskommen kann. Zu diesen alternativen Brennstoffen gehören neben dem Einfachzucker Galaktose auch die sogenannten Keto(n)körper oder kurz Ketone.

Ketone als alternative Energiequelle zur Glukose

Die Ketone werden in den Mitochondrien der Leberzellen aus Fetten, genauer gesagt aus Fettsäuren, über den Prozess der ß-Oxidation gebildet. Dabei entstehen die drei Ketonverbindungen Acetoacetat, ß-Hydroxybutyrat und Aceton. Ihre Produktion setzt ein, wenn der Blutglukosespiegel sinkt und alle Zuckerspeicher (Glykogenspeicher) aufgebraucht sind. Dies ist im Hungerstoffwechsel (z.B. während Fastenperioden, niedriger Kohlenhydratzufuhr, intensives körperliches Training, und beim unbehandelten Diabetes Typ-1) der Fall. Der Körper befindet sich jetzt in der physiologischen Ketose, die ein alternatives Versorgungsprogramm des Körpers darstellt, um ihn in Zeiten der Kohlenhydratknappheit energetisch zu versorgen und ihn somit am Leben zu erhalten. Diese ist aber nicht zu verwechseln mit der Ketoazidose, einem Zustand, der nur bei absolutem Insulinmangel, wie z.B. bei Diabetes Typ-1, auftreten kann. Bei der Ketoazidose entstehen bis zu 10-mal mehr Ketonkörper und das Blut wird übersäuert, ein lebensgefährlicher Zustand! Der Zustand der physiologischen Ketose ist dagegen durch Keton-Konzentrationen von 0,5–3 mmol/l im Blut gekennzeichnet, die ungefährlich sind.

Kurz notiert

Ketogene Ernährungsformen

Dieses Prinzip machen sich auch ketogene Ernährungsformen zu Nutze: hierbei wird der Verzehr von Kohlenhydraten sehr stark reduziert und im Gegenzug der Fettkonsum deutlich erhöht.

Es gibt verschiedene Ernährungsformen mit reduziertem Kohlenhydratanteil, sogenannte Low-Carb-Diäten. Die Kohlenhydratmenge kann in der Extremform der ketogenen Ernährung oder Atkins-Diät bis hin zu einem Anteil von 5 % (bezogen auf die Gesamtkalorien) heruntergehen. Im Gegenzug wird der Fettanteil entsprechend stark erhöht, und auch der Proteinanteil ggf. angepasst, was den grundsätzlichen Unterschied zur herkömmlichen (fettarmen und kohlenhydratreichen) Ernährung, die auch von der deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlen wird, ausmacht (siehe Abbildung 1). Durch die stark kohlenhydrat-reduzierte Nahrung wird der Hungerstoffwechsel imitiert, damit die Leber auf Fettverbrennung umschaltet und der Körper in die Ketose kommt. Dann werden aus den Nahrungsmittelfetten, aber auch aus den Fettdepots des Körpers, Ketone als alternative insulin-unabhängige Energiequelle produziert.

Makronährstoffverteilung bei unterschiedlichen Ernährungskonzepten

Bild 1: Makronährstoffverteilung bei unterschiedlichen Ernährungskonzepten
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Ketogene Ernährung und Alzheimer Demenz

Ein therapeutischer Nutzen einer kohlenhydratreduzierten Ernährungsweise scheint insofern sinnvoll, da das Gehirn von Alzheimer-Patienten interessanterweise trotz seiner pathologischen Störung der Glukoseverwertung weiterhin in der Lage ist, Ketone uneingeschränkt als Energiequelle zu verstoffwechseln [1]. Somit ließe sich der Energiemangel, der ursächliche Risikofaktor der Alzheimer Demenz, bei diesen Patienten eliminieren. Diese Ernährungsform wird schon lange in der Behandlung der Epilepsie eingesetzt [2].

Die Studienlage über die Wirkung von ketogenen Ernährungsformen bei Alzheimer-Patienten ist zwar noch recht dünn, aber vielversprechend.

Die bislang veröffentlichten Pilotstudien an Alzheimer- Erkrankten berichten über positive Auswirkungen einer ketogenen Ernährungsform auf die Krankheit [3] [4] [5]. Insbesondere die Ergebnisse einer ersten randomisierten Crossover-Studie aus diesem Jahr sind mehr als verheißungsvoll [6]:

In dieser neuen Studie konnte gezeigt werden, dass Alzheimer-Patienten im Frühstadium bereits nach 12 Wochen ketogener Ernährungsweise (im direkten Vergleich zu einer herkömmlichen fettarmen Diät) Alltagshandlungen besser ausführen konnten, und dass auch ihre Lebensqualität signifikant verbessert war. Genau diese beiden Parameter sind für Menschen mit Demenz von enorm großer Bedeutung. Auch die kognitiven Fähigkeiten verbesserten sich bei Patienten nach der ketogenen Diät. Wichtig war auch, dass in all den Studien keine nennenswerten unerwünschten Wirkungen auftraten. Besonders zufrieden waren die Autoren weiterhin mit der Tatsache, dass die Umstellung auf die ketogene Ernährung problemlos verlief und sehr gut vertragen und auch eingehalten wurde [6].

Ein wichtiger Vorteil der ketogenen Diät liegt in der Stabilisierung des Blutzuckerspiegels. Leider ist unsere typische westliche Ernährungsweise mit (leeren) Kohlenhydraten wie Weißbrot, Pommes, Pasta, Pizza und Co. überladen, und zudem durch ein Übermaß an zuckerhaltigen Nahrungsmitteln, Süßigkeiten und stark gesüßten Getränken geprägt, was zu einer ständigen Überflutung des Blutes mit Zucker führt. Das wird leider durch die Tatsache gefördert, dass auch Ernährungsgesellschaften immer noch veraltete und falsche Ernährungsempfehlungen aussprechen.

Wir wissen längst, dass ein Zuviel an Zucker im Blut auf Dauer nicht gut für unser Gehirn ist. So zeigte bereits 2013 eine Studie mit gesunden Nicht-Diabetikern, dass ein höherer Blutzuckerspiegel, gemessen über den Langzeitblutzuckerwert HBA1c, direkt mit einer schlechteren Lern- und Gedächtnisleistung korreliert [7].

Demnach MUSS eine Kohlenhydrat-bilanzierte Ernährung ein Eckpfeiler in der Prävention von neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer Demenz darstellen.

Ketonbildung durch Kokosöl oder MCT-Öl

Man weiß heute auch, dass eine Ernährung, die nicht ganz so drastisch kohlenhydrat-reduziert ist, dafür aber mit Kokosöl oder MCT-Öl (MCT = Middle Chain Triglycerides, übersetzt mittelkettige Triglyzeride/Fette) ergänzt wird, unter bestimmten Bedingungen ebenfalls zur Ketonbildung führt. Die darin enthaltenen mittelkettigen Fettsäuren bestehen aus 6 bis 12 Kohlenstoffatomen und gehen aufgrund ihrer kürzeren Struktur nicht den Umweg über die Lymphe. Sie gelangen nach ihrer Aufnahme im Darm unabhängig von Gallensäuren und fettspaltenden Enzymen mit dem Blut der Pfortader (Sammelvene des Blutes der Bauchorgane) direkt zur Leber, wo sie über ß-Oxidation schnell in Ketone umgewandelt werden. Kokosöl enthält ca. 16% ketogene mittelkettige Fettsäuren, dagegen besteht MCT-Öl ausschließlich aus Fetten, die Fettsäuren mittlerer Kettenlänge enthalten. Zu beachten ist allerdings, dass die Nahrungsmittelfette niemals alleinig aus diesen Fetten bestehen und ihre Verzehrmenge auch individuell abgestimmt werden sollte, am besten durch einen versierten Ernährungstherapeuten, da es sich bei Kokosöl wie auch bei MCT-Öl um gesättigte Fette handelt.

Eine therapeutische Wirkung dieser mittelkettigen Fette auf Alzheimer wurde erstmals eindrucksvoll durch die amerikanische Ärztin Dr. Mary Newport gezeigt [8]: sie behandelte ihren an einer frühen Form von Alzheimer erkrankten Ehemann Steve zunächst mit Kokosöl (35 ml täglich). Nachdem dies bereits nach kurzer Zeit positive Wirkungen im Uhrentest zeigte (s. Abbildung 2), steigerte sie die Dosis mit MCT-Öl schrittweise zu einer 4:3-Mischung (MCT zu Kokosöl), bis schließlich 165 ml/Tag, aufgeteilt in 3 bis 4 Portionen, erreicht waren. Das überraschende Ergebnis war, dass es bereits nach wenigen Wochen zu einer enormen Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten kam. Darüber hinaus verbesserte Steve Newport allmählich sein Erinnerungsvermögen, sein Wortfindungsvermögen, seine soziale Teilhabe und sein Gangbild. Auch in der Magnetresonanztomographie wurde über einen langen Zeitraum keine weitere Hirnatrophie festgestellt [8].

Bild 2: Uhrentest nach Shulman, gezeichnet von Steve Newport [8]. 1: Vor Kokosöleinnahme, 2: Nach 14 Tagen Einnahme, 3: Nach 37 Tagen Einnahme. Der Uhrentest ist ein üblicher psychometrischer Test in der Alzheimerdiagnostik. Der Patient muss eine Uhr, also einen Kreis mit 12 Ziffern, zeichnen und eine Uhrzeit nach Vorgabe mit dem Stunden- und Minutenzeiger eintragen. Diese Aufgabe gelingt nur, wenn der Patient die dazu benötigten geistigen Fähigkeiten (Erinnerung, Merkfähigkeit, visuelle Orientierung etc.) in noch ausreichendem Maß besitzt.

Dass dies kein Einzelfall ist, zeigen auch einige weitere Studien an Alzheimer-Patienten in frühen und fortgeschrittenen Stadien: in fast all diesen Studien war schon kurze Zeit nach der Gabe von ketogenen Ölen oder Keton-Präparaten ein Anstieg der kognitiven Funktionen, der Verarbeitungsgeschwindigkeit und/oder der Gedächtnisleistung der Demenzpatienten feststellbar [9].

Alles in allem sind die Studienbefunde für die keton-produzierende Ernährungsweisen, auch wenn sie aufgrund der geringen Patientenzahlen und kurzen Interventionsphasen noch in ihren Kinderschuhen stecken, bereits jetzt schon wegweisend für viele Betroffene und ihre Angehörigen: ketogene Ernährungsformen, ob durch kohlenhydrat-Restriktion und/oder durch Ergänzung mit Kokos- oder MCT-Ölen, scheinen äußerst wirksame und zugleich praktikable und vor allem auch nebenwirkungsfreie Präventions- und Behandlungsstrategien bei Alzheimer zu sein und stellen somit eine weitere wichtige Waffe im Kampf gegen diese unerbittliche Krankheit dar.

Fazit:

Wir wissen heute, dass das geschädigte Gehirn von insulinresistenten Alzheimer-Patienten trotz der Zuckerflut im Körper in einer Energiekrise steckt. Allerdings sind die Gehirnzellen trotz ihrer gestörten Glukoseverwertung weiterhin uneingeschränkt in der Lage, alternative Brennstoffe wie Ketone als Energiequelle zu verwerten. Daher schreibt man diesen Substanzen ein großes therapeutisches Potential bei der Alzheimer-Erkrankung zu. Die Leber bildet Ketone aus Fetten, sobald dem Körper die Glukose als Brennstoff ausgeht. Dieser als Ketose bezeichnete Zustand geschieht physiologisch im Hungerstoffwechsel, aber auch bei stark Kohlenhydrat-reduzierten (ketogenen) Ernährungsweisen. Die Produktion der Ketone kann aber auch durch den Verzehr von Ölen, die mittelkettige Fettsäuren (z.B. MCT-Öle und Kokosöl) enthalten, angeregt werden.

 Das therapeutische Potential von Ketonen konnte in einer aktuellen Studie eindrucksvoll belegt werden: In dieser randomisierten Crossover-Studie verbesserten sich bereits nach einer 12-wöchigen ketogenen Ernährungsweise sich bei Alzheimer-Patienten die Ausführung der täglichen Handlungsabläufe, die kognitive Leistung und die Lebensqualität, im Vergleich zu einer üblichen fettarmen Diät. Und das alles nebenwirkungsfrei! Auch die Ergebnisse anderer Studien sind mehr als vielversprechend: Keton-bildende Ernährungsformen, ob durch Kohlenhydrat-Restriktion und/oder durch Ergänzung mit Kokos- oder MCT-Ölen, erwiesen sich allesamt als wirksame, praktikable und vor allem auch nebenwirkungsfreie Präventions- und Behandlungsstrategien bei Alzheimer und stellen somit eine weitere wichtige Waffe im Kampf gegen diese unerbittliche Krankheit dar.

 

Daher unser Tipp an Sie: Reduzieren Sie noch heute Ihren übermäßigen Zucker- und Süßigkeiten-Konsum, verzichten Sie auf stark gesüßte Getränke, vermeiden Sie exzessiven Verzehr stärkehaltiger (stark verarbeiteter) Lebensmittel in Form von Weißmehl, Pasta, Pommes und Co. und integrieren Sie sinnvoll Kokosöl oder MCT-Öle in Ihren Ernährungsplan – es lohnt sich, nicht nur für Ihre Hirngesundheit!

Referenzen

  1. Castellano C, Nugent S, Paquet N, Tremblay S, Bocti C, Lacombe G, et al. (2015) Lower brain 18F-fluorodeoxyglucose uptake but normal 11C-acetoacetate metabolism in mild Alzheimer’s disease dementia. J Alzheimers Dis.43: 1343–53.
  2. Elizabeth G Neal, Hannah Chaffe, Ruby H Schwartz, Margaret S Lawson, Nicole Edwards, Geogianna Fitzsimmons, Andrea Whitney, J Helen Cross. (2008) The ketogenic diet for the treatment of childhood epilepsy: a randomised controlled trial. The Lancet VOLUME 7, ISSUE 6, P500-506. DOI:https://doi.org/10.1016/S1474-4422(08)70092-9
  3. Taylor MK, Sullivan DK, Mahnken JD, Burns JM, Swerdlow RH. (2017) Feasibility and efficacy data from a ketogenic diet intervention in Alzheimer’s disease. Alzheimers Dement (N Y)4: 28–36.
  4. Brandt J, Buchholz A, Henry-Barron B, Vizthum D, Avramopoulos D, Cervenka M. (2019) Preliminary report on the feasibility and efficacy of the modified Atkins diet for treatment of mild cognitive impairment and early Alzheimer’s disease. J Alzheimers Dis. 68: 969–81.
  5. Bryan J. Neth, Akiva Mintz, Christopher Whitlow, Youngkyoo Jung, Kiran Solingapuram Sai, Thomas C. Register, Derek Kellar, Samuel N. Lockhart, Siobhan Hoscheidt, Joseph Maldjian, Amanda J. Heslegrave, Kaj Blennow, Stephen C. Cunnane, Christian Alexandre Castellano, Henrik Zetterberg, Suzanne Craft (2020) Modified ketogenic diet is associated with improved cerebrospinal fluid biomarker profile, cerebral perfusion, and cerebral ketone body uptake in older adults at risk for Alzheimer’s disease: a pilot study. Neurobiology of Aging, Volume 86, February 2020, Pages 54-63
  6. ↑1 ↑2 Matthew C. L. Phillips, Laura M. Deprez, Grace M. N. Mortimer, Deborah K. J. Murtagh, Stacey McCoy, Ruth Mylchreest, Linda J. Gilbertson, Karen M. Clark, Patricia V. Simpson, Eileen J. McManus, Jee-Eun Oh, Satish Yadavaraj, Vanessa M. King, Avinesh Pillai, Beatriz Romero-Ferrando, Martijn Brinkhuis, Bronwyn M. Copeland, Shah Samad, Shenyang Liao & Jan A. C. Schepel (2021) Randomized crossover trial of a modified ketogenic diet in Alzheimer’s disease. Alzheimer’s Research & Therapy 13: 51. doi: 10.1186/s13195-021-00783-x
  7. Lucia Kerti, A. Veronica Witte, Angela Winkler, Ulrike Grittner, Dan Rujescu, Agnes Flöel (2013) Higher glucose levels associated with lower memory and reduced hippocampal microstructure. Neurology 12, 81 (20) doi: https://doi.org/10.1212/01.wnl.0000435561.00234.ee
  8. ↑1 ↑2 ↑3 Newport MT (2011). A new way to produce hyperketonemia: use of ketone ester in a case of Alzheimer’s disease. VAK Verlags GmbH Kirchzarten bei Freiburg, ISBN 978-1-59120-293-6
  9. Md. Sahab Uddin, Md. Tanvir Kabir, Devesh Tewari, Abdullah Al Mamun, George E. Barreto, Simona G. Bungau, May N. Bin-Jumah, Mohamed M. Abdel-Daim & Ghulam Md Ashraf (2020) Emerging Therapeutic Promise of Ketogenic Diet to Attenuate Neuropathological Alterations in Alzheimer’s Disease. Mol. Neurobiol. 57(12):4961-4977. doi: 10.1007/s12035-020-02065-3.