Nach der Zulassung der neuen Alzheimermedikamente Aducanumab im Jahr 2021 und Lecanemab Anfang 2023 durch die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA steht nun der dritte Anti-Amyloid-Antikörper kurz vor der Markteinführung: Der Pharmakonzern Eli Lilly gab kürzlich vorläufige Ergebnisse zur TRAILBLAZER-ALZ-2-Studie mit dem neuen Anti-Amyloid-Antikörper Donanemab in einer Pressemitteilung bekannt [1].
In der klinischen Studie wurde der Antikörper bei 1182 Alzheimer-Patienten (65 bis 85 Jahre) im frühen Krankheitsstadium getestet. Nach 12 Monaten waren die Amyloid-beta(Aß)-Ablagerungen bei der Mehrheit der Patienten deutlich reduziert. Auch bremste Donanemab die klinische Verschlechterung der Patienten zum Studienende nach 18 Monaten um 35 % gegenüber der unbehandelten Kontrollgruppe ab. Was sich mit „35 % Verlangsamung“ nach hoher Wirksamkeit anhört, und auch von Fachleuten als „klinisch relevant“ bezeichnet wird, ist aber bei differenzierterer Betrachtung eine Mogelpackung: In der klinischen Studie verschlechterte sich die kognitive Leistungsfähigkeit im CDR-SB-Fragebogen in der Kontrollgruppe nach 18 Monaten um 1,9 Punkte (1). 35 % Wirksamkeit bedeutet demnach, dass die behandelten Patienten um 0,59 Punkte besser abschnitten als die Kontrollgruppe, die ein Placebo verabreicht bekommen hatte. Dabei ist aber ein Unterschied von 0,5 Punkten in der Auswertung der CDR-SB der kleinstmögliche Unterschied, den ein Untersucher beim einzelnen Patienten überhaupt dokumentieren kann!
Auch Experten in der Alzheimer Forschung haben große Bedenken: trotz nachgewiesener Reduktion der Aß-Ablagerungen bleibt die Wirksamkeit und somit der Nutzen für den Patienten fragwürdig, da ein Aufhalten oder eine Linderung der Erkrankung bislang mit keinem Anti-Amyloid-Antikörper auch nicht mit Donenamab, gelungen ist. Die Verschlechterung des kognitiven Verfalls wird in allen Fällen geringfügig verlangsamt, aber nicht aufgehalten. Die nachgewiesene „Wirksamkeit“ im Hinblick auf die Reduktion der senilen Plaques ist zudem mit schwerwiegenden, zum Teil tödlichen, Nebenwirkungen teuer erkauft.
Diese Nebenwirkungen, in der Fachwelt als ARIA (Amyloid-Related Imaging Abnormalities) bezeichnet, machen sich als unerwünschte Veränderungen in MRT-Scans in Form von Hirnödemen (Flüssigkeitsansammlung im Gehirn), Hirnblutungen, Eisenablagerungen bemerkbar und treten bei allen Anti-Amyloid-Antikörpern auf. Bei den mit Donanemab behandelten Patienten beobachteten die Studienärzte bei 24,0 % der Probanden Hirnödeme und bei 31,4 % Hirnblutungen bzw. Eisen-Ablagerungen, die in einigen Fällen sogar tödliche Folgen hatten.
Darüber hinaus hat ein australisches Forscherteam 2023 herausgefunden, dass durch die Behandlung mit diesen Medikamenten ein beschleunigter Hirnabbau (Hirnatrophie) stattfindet und die Größe der Hirnventrikel (Hohlräume des Gehirns, die mit Flüssigkeit gefüllt sind) zunimmt [2]. Dabei gab es eine auffällige Korrelation zwischen dem vergrößerten ventrikulären Volumen und der ARIA-Häufigkeit. Bei Teilnehmern mit leichter kognitiver Beeinträchtigung, die mit Anti-Amyloid-Medikamenten behandelt wurden, wurde eine beträchtliche Regression bis hin zu einem für die Alzheimer Demenz typischen Hirnvolumen prognostiziert, die ungefähr acht Monate früher als bei unbehandelten Teilnehmern einsetzen soll!
Paradoxerweise würde dies bedeuten, dass mit dem Abbau des Hirnvolumens das strukturelle Kardinalsymptom der Alzheimererkrankung durch alle Vertreter dieser Medikamentengruppe gefördert wird. Da die Hirnschrumpfung insbesondere bei den Patienten mit den Nebenwirkungen beschleunigt war, wäre dies ist mehr als besorgniserregend, da ungefähr ein Viertel der Patienten unter Hirnödemen und ca. ein Drittel unter Hirnblutungen litt. Somit wäre ungefähr die Hälfte der Teilnehmer von der Atrophie betroffen.
Auch wenn es kaum zu glauben ist: die langfristigen Folgen der arzneimittelbedingten Hirnatrophie und somit nachteilige Auswirkungen für die Gesundheit des Gehirns wurden bislang in klinischen Studien weder erwähnt noch untersucht. Die Wissenschaftler richteten daher einen dringenden Appell an die Ärzte, bei der Behandlung von Alzheimer-Patienten mit ARIA-auslösenden Aß-Antikörpern in Zukunft unbedingt auf diese Volumenänderungen zu achten und diese Medikamente auch nur unter kritischer Abwägung des Kosten-Nutzens anzuwenden. Bei „Kompetenz statt Demenz“ können Sie diese Empfehlungen nochmals im Detail nachlesen.
Fazit:
Auch der dritte Anti-Demenz-Antiköper Donanemab kann nicht wirklich viel mehr als seine „Vorgänger“. Zwar konnte er in der TRAILBLAZER-ALZ-2 Studie bei Patienten im frühen Alzheimerstadium den geistigen Abbau nach 18 Monaten um 35 % verlangsamen. Allerdings sieht dieses vielversprechende (relative) Ergebnis in der absoluten Betrachtung eher mager aus und ist mit einer recht hohen Rate von Nebenwirkungen wie Hirnödemen und -blutungen recht teuer erkauft. Nachdem Wissenschaftler in einer aktuellen Studie zudem über die vorliegenden MRT-Daten eine Hirnschrumpfung, verursacht durch diese Medikamentengruppe, beobachtet haben, stellt sich schlussendlich erneut die Frage, ob das Amyloid-ß-Protein der richtige Ansatz für die Medikamentenentwicklung ist. Donanemab ist demnach ebenso wenig ein Durchbruch wie seine „Vorgänger“ Lecanemab und Aducanumab – im Gegenteil: diese Medikamente bergen ein beträchtliches Schadenspotential in sich.
All dies scheint vor dem Hintergrund, dass wirksame, nebenwirkungsfreie und deutlich weniger kostenintensive Lebensstil-orientierte Präventions- und Therapiekonzepte zur Verfügung stehen, geradezu paradox. Zum Glück haben Sie mit diesem Wissen und “Kompetenz statt Demenz” die Wahl, sich für die richtige Therapie für Ihre geistige Gesundheit zu entscheiden!
Referenzen:
-
- ↑ Lilly‘s Donanemab Significantly Slowed Cognitive and Functional Decline in Phase 3 Study of Early Alzheimer‘s Disease. Pressemitteilung Eli Lilly vom 3. Mai 2023
- ↑ Alves F, Kalinowski P, Ayton S. Accelerated Brain Volume Loss Caused by Anti-β-Amyloid Drugs: A Systematic Review and Meta-analysis. Neurology. 2023 May 16;100(20):e2114-e2124. doi: 10.1212/WNL.0000000000207156. Epub 2023 Mar 27. PMID: 36973044; PMCID: PMC10186239.