D-Tagatose ist ein Einfachzucker (Monosaccharid), der sich in der Demenzforschung zunehmend als eine hirnfreundliche Zuckeralternative etabliert. In der Natur kommt D-Tagatose in geringen Mengen in Äpfeln, Orangen, Milchpulver, Kakao, Käse, Joghurt und anderen Milchprodukten vor. Aufgrund der hohen Süßkraft sowie des niederen Kaloriengehalts (1,5 bis 2 kcal/g) und des geringen Einflusses auf den Blutzuckerspiegel ist D-Tagatose in vielen Diabetiker- und Diätprodukten vertreten. Die Lebensmittelindustrie gewinnt D-Tagatose aus den Einfachzuckern Galaktose (Milchzucker) oder Piscose (Pilzzucker) und verwendet sie in Getränken, Joghurts, Brotaufstrichen und Süßwaren [1, 2]. Die D-Tagatose ist mittlerweile auch im Handel erhältlich, jedoch ist sie mit einem Kilo-Preis von ca. 180 Euro immer noch sehr teuer.
Als gesundheitlicher Vorteil der D-Tagatose wird gesehen, dass sie im Vergleich zu Haushaltszucker 80 Prozent weniger Kalorien und dabei einen günstigen Effekt auf die Zahngesundheit hat. Weiterhin haben zahlreiche Studien gezeigt, dass D-Tagatose einen positiven Einfluss auf den menschlichen Stoffwechsel hat. Die antidiabetische Wirkung und die positiven Effekte auf das Mikrobiom machen D-Tagatose zu einem faszinierenden Forschungsgebiet, insbesondere im Zusammenhang mit der Demenzforschung.
Blutzuckersenkende Wirkung der D-Tagatose
Es gibt einige Studien, die den blutzucker-senkenden Effekt von D-Tagatose am Menschen untersuchten:
- So fand man bereits 1999 in einer kleinen Interventionsstudie heraus, dass sich bei diabetischen Test-Personen 75 g D-Tagatose blutzuckersenkend auf den Verzehr von 75 g Glukose auswirkte [3].
- In einer Querschnittsstudie wurde die Wirkung von D-Tagatose auf den erhöhten Blutzuckerspiegel nach dem Essen, der sogenannten postprandialen glykämischen Reaktion, bei Patienten untersucht, die unter erhöhten Blutzuckerspiegeln (Hyperglykämie) litten. Die Ergebnisse zeigten, dass die Einnahme von 5 g D-Tagatose den Blutzuckerspiegel bei hyperglykämischen Patienten nach 120 Minuten signifikant senkte. Auch bei gesunden Studienteilnehmern senkte eine Dosis von 10 g D-Tagatose den Insulinspiegel im Serum nach den Mahlzeiten. Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass ein Getränk mit D-Tagatose (5g) die postprandialen glykämischen Reaktion bei Patienten mit erhöhtem Blutzuckerspiegel kontrollieren kann [2].
- In einer weiteren randomisierten Studie mit 161 Teilnehmern war es das Ziel, die Sicherheit und die Wirkung von (geringen Mengen) D-Tagatose auf die Blutzuckerkontrolle bei Diabetes-Patienten mit Hilfe des „verzuckerten“ Hämoglobins (HbA1c-Wert) in einem Zeitraum von 6 Monaten zu erfassen. Das Ergebnis war, dass zur Senkung des HbA1c-Wertes 5 g D-Tagatose (dreimal täglich) erforderlich war, während eine Menge von 7,5 g D-Tagatose (dreimal täglich), die höchste Menge in dieser Studie, eine deutlich stärker blutzuckersenkende Wirkung hatte [4].
- Letztere Untersuchungen wurden fortgesetzt, indem die Wirkung höherer D-Tagatose-Dosen bei Patienten mit Typ-2-Diabetes untersucht wurde. Die Studie teilte 480 Teilnehmer in zwei Gruppen auf. 232 erhielten D-Tagatose in verschiedenen Dosierungen und 248 bildeten die Placebo-Gruppe. Die tägliche Einnahme von 15 g D-Tagatose konnte den HbA1c-Wert signifikant senken, wenn sie in 125-250 ml Wasser dreimal täglich und unmittelbar vor den Mahlzeiten eingenommen wurde. Die Senkung des HbA1c-Wertes war robust und konnte in beiden Untergruppen, verschiedenen Subpopulationen und mit unterschiedlichen analytischen Ansätzen nachgewiesen werden. D-Tagatose erwies sich auch als gut verträglich, da in den Behandlungsgruppen nur leichte Nebenwirkungen auftraten. Die Autoren betonten auch, dass im Gegensatz zu vielen anderen Diabetesmedikamenten die Wirksamkeit von D-Tagatose mit der Dauer der Einnahme zunimmt [5].
Antidiabetischer Effekt der D-Tagatose und Relevanz für Demenz
Wie genau D-Tagatose seine blutzuckersenkende Wirkung entfaltet, ist noch nicht ganz geklärt. Es wird diskutiert, dass durch die Einnahme von D-Tagatose zunächst andere Zucker wie Glukose (Traubenzucker) langsamer vom Darm aufgenommen und ins Blut abgegeben werden. Die Folge ist ein langsamerer Anstieg des Blutzuckerspiegels. Außerdem hemmt D-Tagatose die Umwandlung von Glykogen (Speicherform von Glukose) in Glukose und fördert die Umwandlung von Glukose in Glykogen. Durch diese Mechanismen befindet sich weniger freie Glukose im Blut, der Blutzuckerspiegel bleibt niedrig, es muss weniger Insulin ausgeschüttet werden und einer möglichen Insulinresistenz wird vorgebeugt [2].
Diese antidiabetische Wirkung ist besonders für die Prävention von Demenzerkrankungen interessant. Die Alzheimer-Krankheit wird in Fachkreisen auch als Typ-3-Diabetes bezeichnet, da ein direkter Zusammenhang zwischen der Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) und der Alzheimer-Krankheit besteht. Das Problem bei Diabetes ist die ständig erhöhte Glukosekonzentration im Blut, also erhöhte Blutzuckerwerte. Das liegt daran, dass das körpereigene Hormon Insulin, das wichtig ist, um Glukose zu verwerten, nicht mehr richtig wirken kann. Die so genannte Insulinresistenz kann auch das Gehirn betreffen und dort zu einem Energienotstand führen. Wird dieser Zustand nicht behandelt, kann es nach und nach zum Ausfall bestimmter Funktionen der Nervenzellen (Neuronen) kommen. Dies kann schließlich zum Absterben von Gehirnzellen führen und sich vor allem in Gedächtnisstörungen äußern. Der schleichende Beginn der Alzheimer-Krankheit kann also durch die Zuckerkrankheit eingeleitet werden.
D-Tagatose wäre somit eine hirnfreundliche Zuckeralternative. Die blutzuckersenkende Wirkung könnte dazu beitragen, mögliche Energiekrisen im Gehirn sowie Entzündungen zu verhindern und somit auch das Risiko von Demenzerkrankungen zu senken.
Präbiotische Wirkung der D-Tagatose
Nachdem D-Tagatose oral eingenommen wird, werden nur etwa 20-25% davon im Dünndarm absorbiert, während der Rest in den Dickdarm gelangt. Hier wird es von Darmbakterien in kurzkettige Fettsäuren (SCFAs) und verschiedene Gase umgewandelt (1, 8). Kurzkettige Fettsäuren wie Butyrat haben nachweislich verschiedene gesundheitsfördernde Wirkungen, darunter die Fähigkeit, chronische Entzündungen zu reduzieren, die Produktion von Neurotransmittern zu fördern, Immunreaktionen zu aktivieren und den Lipidstoffwechsel zu regulieren. Dies legt nahe, dass sie auch positiv auf die Gehirngesundheit wirken könnten und möglicherweise Krankheiten wie Demenz beeinflussen [7].
Es gibt eine wachsende Anzahl von Studien, die einen Zusammenhang zwischen dem Darmmikrobiom, seinen Stoffwechselprodukten und Demenz herstellen. In diesem Zusammenhang redet man auch von der Darm-Hirn-Achse. Im Kontext mit D-Tagatose wurde eine in vivo (im lebenden Körper) Studie durchgeführt, um den Einfluss verschiedener Zuckerarten auf das Darmmikrobiom und seine Stoffwechselprodukte zu untersuchen. Die Probanden, gesunde Männer und Frauen, konsumierten über einen Zeitraum von zwei Wochen verschiedene Frühstücke. Dabei wurde die 30 g Himbeermarmelade in verschiedenen Variationen eingenommen, entweder mit 7,5 g oder 12,5 g D-Tagatose, 7,8 g Fructo-Oligosaccharide, 7,6 g D-Tagatose und 7,5 g Fructo-Oligosaccharide oder mit 15,1 g Saccharose.Die Ergebnisse zeigten, dass der Konsum von 7,5 und 12,5 g D-Tagatose zu einer erhöhten Produktion von kurzkettigen Fettsäuren wie Butyrat und einem Anstieg des Bakteriums Lactobacillus führte.
Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass D-Tagatose zur Förderung der Darmgesundheit beitragen könnte, was wiederum indirekt positive Auswirkungen auf die Gehirngesundheit, einschließlich möglicher Demenzprävention, haben könnte [8]. Weitere Informationen zum Thema “Darmgesundheit” finden Sie auch im entsprechenden kostenfreien Faktenblatt der Kompetenz statt Demenz.
Fazit:
Eine wachsende Zahl von Studien belegt, dass der Einfachzucker D-Tagatose den Körper vor Blutzuckerspitzen schützen kann, und dass er sich günstig auf das Darmmikrobiom auswirkt. Diese Eigenschaften können sich auch positiv auf die Gehirngesundheit auswirken, und somit eine Rolle in der Demenzprävention spielen.
Jedoch steht die Forschung mit D-Tagatose in Bezug auf Demenzerkrankungen erst in den Startlöchern. Demenzerkrankungen wie Alzheimer sind sehr komplexe Erkrankungen, die eine Vielzahl an Risikofaktoren haben. So vergleicht der Neurologe und Alzheimerforscher Dr. Dale Bredesen die Alzheimererkrankung auch mit einem Dach, das bis zu 36 Löcher haben kann, die alle zu reparieren sind.
Demnach sehen wir in der D-Tagatose nicht ein Allheilmittel. Es könnte jedoch eine hirnfreundliche Zuckeralternative zu dem herkömmlichen Haushaltszucker sein, die man sich in kleinen Mengen durchaus gönnen kann, ohne der Gesundheit zu schaden!
Referenzen
- Roy, S., Chikkerur, J., Roy, S. C., Dhali, A., Kolte, A. P., Sridhar, M., & Samanta, A. K. (2018). Tagatose as a Potential Nutraceutical: Production, Properties, Biological Roles, and Applications. Journal of Food Science, 83(11), 2699–2709. https://doi.org/10.1111/1750-3841.14358
- Guerrero-Wyss, M., Durán Agüero, S., & Angarita Dávila, L. (2018). D-Tagatose Is a Promising Sweetener to Control Glycaemia: A New Functional Food. BioMed Research International, 2018, 8718053. https://doi.org/10.1155/2018/8718053
- W. Donner, J. F. Wilber, and D. Ostrowski, “D-tagatose, a novel hexose: Acute effects on carbohydrate tolerance in subjects with and without type 2 diabetes,” Diabetes, Obesity and Metabolism, vol. 1, no. 5, pp. 285–291, 1999. https://doi.org/10.1046/j.1463-1326.1999.00039.x
- Ensor, J. Williams, R. Smith, A. Banfield, and R. A. Lodder, “Effects of three low-doses of D-tagatose on glycemic control over six months,” Journal of Endocrinology, Diabetes & Obesity, vol. 2, article 1057, no. 4, 2014. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4820068/
- Ensor, M., Banfield, A. B., Smith, R. R., Williams, J., & Lodder, R. A. (2015). Safety and Efficacy of D-Tagatose in Glycemic Control in Subjects with Type 2 Diabetes. Journal of endocrinology, diabetes & obesity, 3(1), 1065. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27054147/
- Venema, K., Vermunt, S. H. F., & Brink, E. J. (2005). D-Tagatose increases butyrate production by the colonic microbiota in healthy men and women. Microbial Ecology in Health and Disease, 17(1), 47–57. https://doi.org/10.1080/08910600510035093
- Mirzaei, R., Bouzari, B., Hosseini-Fard, S. R., Mazaheri, M., Ahmadyousefi, Y., Abdi, M., Jalalifar, S., Karimitabar, Z., Teimoori, A., Keyvani, H., Zamani, F., Yousefimashouf, R., & Karampoor, S. (2021). Role of microbiota-derived short-chain fatty acids in nervous system disorders. Biomedicine & Pharmacotherapy, 139, 111661. https://doi.org/10.1016/j.biopha.2021.111661
Abbildung 1: https://de.wikipedia.org/wiki/Tagatose#/media/Datei:DL-Tagatose.svg