Vorkommen und Bedeutung
α-Liponsäure (engl. alpha linoic acid, abgekürzt ALA), auch Thioctsäure genannt, ist eine kurzkettige Fettsäure, die Studien zufolge ein vielversprechendes Potential hat, der Entstehung und dem Fortschreiten von Demenzerkrankungen wie Alzheimer entgegenzuwirken. Die Fettsäure kann vom menschlichen Körper selbst hergestellt, aber auch über tierische und pflanzliche Nahrung aufgenommen werden. Besonders gute Quellen sind Fleisch und Organe wie Herz, Leber und Niere, die reich an Mitochondrien sind. ALA ist auch in Obst und Gemüse enthalten, wobei vor allem die unterschiedlichen Kohlsorten eine reichhaltige Quelle darstellen.
Bei der ALA wird zwischen R-α-Liponsäure und S-α-Liponsäure unterschieden. R-α-Liponsäure kommt natürlich in Pflanzen, Tieren und Menschen vor, während S-α-Liponsäure synthetisch hergestellt wird. Wichtig ist, dass R-α-Liponsäure vom Körper besser erkannt und verstoffwechselt wird als S-α-Liponsäure. Aus diesem Grund wird R-α-Liponsäure als die biologisch aktivere Form angesehen [8].
α-Liponsäure und ihre Wirkungen im Gehirn
Antioxidative Wirkung
Als Antioxidans kann ALA freie Sauerstoffradikale (ROS) abfangen, die insbesondere bei Alzheimer-Patienten in überdurchschnittlichem Maß gebildet werden. Zu viele ROS führen zu einem Zustand, der als oxidativer Stress bezeichnet wird, d.h. zu einem Ungleichgewicht zwischen ROS und antioxidativen Kräften im Körper. ROS schädigen unter anderem Nervenzellen, führen zu ihrem vorzeitigen Absterben, und können so zur Entstehung von Alzheimer beitragen. Im Gegensatz zu anderen Antioxidantien ist ALA aufgrund seiner chemischen Struktur gleichzeitig wasser- und fettlöslich. ALA kann daher sowohl Zellmembranen übertreten als auch die Blut-Hirnschranke passieren.
Als stärkstes natürliches Antioxidans hat ALA darüber hinaus die Fähigkeit, andere Antioxidantien wie z.B. Glutathion, Coenzym Q10, Vitamin C und E, chemisch zu reduzieren und sie so zu ihrer biologisch aktiven Form zu recyceln. Daher erhöht ALA die zelluläre Verfügbarkeit und Funktionalität dieser Stoffe, ohne dass diese substituiert werden müssen [10].
Gerade Glutathion ist das wichtigste Antioxidans im Gehirn wenn es in der reduzierten Form vorliegt. Wenn (reduziertes) Glutathion ROS im Gehirn abfängt, kann dadurch die Plaquebildung verringert und die Gedächtnisleistung von Alzheimer-Patienten verbessert werden. Allerdings wird Glutathion dabei selbst oxidiert und verbraucht, und muss daher wieder in die biologisch aktive Form gebracht werden. Studiendaten zufolge kann ein vermehrter Verbrauch von intrazellulärem Glutathion durch die Gabe von ALA ganz oder teilweise kompensiert werden [10]. Darüber hinaus kann ALA redoxaktive Metalle wie Kupfer, Eisen oder Zink binden. Diese fördern die ROS-Bildung sowie die Plaquebildung zwischen den Nervenzellen [1, 7].
Neurotransmitter-Synthese
Neurotransmitter wie Acetylcholin (ACh) sind Botenstoffe, die Signale zwischen Nervenzellen übertragen. ACh wird aus Cholin und Acetyl-CoA, dem Endprodukt der Glykolyse (Energiegewinnung aus Zucker), gebildet. Bei Alzheimer-Patienten wurde ein Mangel an Acetylcholin beobachtet, der durch eine Störung des Zuckerstoffwechsels ausgelöst werden kann. Außerdem baut das Enzym Acetylcholinesterase bei Alzheimer-Patienten Acetylcholin überdurchschnittlich stark ab. ALA kann die Aktivität dieses Enzyms beeinflussen und so dem Abbau von Acetylcholin entgegenwirken und zur Erhaltung der Gedächtnisleistung beitragen [1, 7].
Energiestoffwechsel
ALA ist zudem ein wichtiger Co-Faktor bei vielen Enzymen des Energiestoffwechsels. So kann die Fettsäure die Bildung von Glukosetransportern im Gehirn verstärken, wodurch die Glukoseaufnahme in die neuronalen Zellen erhöht wird. Damit wird einem Glukosemangel im Gehirn entgegengewirkt, welcher ebenfalls eine Ursache für die Entstehung und Entwicklung der Alzheimer-Krankheit ist. Gleichzeitig hat ALA eine wichtige Funktion bei der Energiegewinnung in den Mitochondrien. Sie fungiert als Elektronenakzeptor in Enzymkomplexen der Atmungskette in der Mitochondrienmembran und schützt diese vor oxidativem Stress [1, 7].
Entgiftung
ALA kann außerdem die Ausscheidung von Fremdstoffen unterstützen. Sie kann insbesondere Metallionen wie Blei, Quecksilber, Kupfer, Eisen und Platin aus der Bindung an schwefelhaltige Proteine im Gewebe herauslösen und sie über die Galle ausscheiden. Aufgrund seiner Fettlöslichkeit erreicht ALA auch intrazelluläre Kompartimente und durchdringt die Blut-Hirnschranke, was insbesondere in der Prävention der Alzheimererkrankung von besonderer Bedeutung ist [2].
Der Effekt von α-Liponsäure bei Alzheimerpatienten
Die Wirksamkeit von ALA bei Alzheimer-Patienten konnte bereits in zahlreichen Studien nachgewiesen werden [4]. Die kognitiven Fähigkeiten werden in diesen Studien mithilfe des Mini-Mental-Status-Tests (MMSE) oder des Alzheimer’s Disease Cognitive Subscale (ADAScog) beurteilt. Diese Kognitionstests umfassen Raum- und Zeitorientierung, Sprachverständnis und -gebrauch, Rechenfähigkeiten sowie grundlegende motorische Fähigkeiten. Anhand der erreichten Punktzahl lässt sich das Ausmaß kognitiver Beeinträchtigungen von schwer (≤9 Punkte) über moderat (10–18 Punkte) bis hin zu leicht (19–23 Punkte) einschätzen. Zudem können bestimmte Biomarker im Köper untersucht werden, um die Wirkung der ALA zu untersuchen.
- In einer Studie wurden die Patienten in drei Gruppen eingeteilt: Gruppe 1 mit leichter Demenz, Gruppe 2 mit mittelschwerer Demenz im Anfangsstadium und Gruppe 3 mit mittelschwerer Demenz im fortgeschrittenen Stadium. Über einen Zeitraum von 48 Monaten erhielten alle drei Gruppen täglich 600 mg ALA sowie Acetylcholinesterasehemmer und kognitives Training. Im Vergleich zu anderen Studien zeigte sich bei den Patienten, die zusätzlich ALA einnahmen, ein verlangsamtes Fortschreiten der Erkrankung. Vor allem bei Patienten mit leichter und mittelschwerer Demenz im frühen Stadium verlangsamte sich der Krankheitsverlauf deutlich und nach drei Jahren zeigte sich bei ihnen ein vergleichsweise verlangsamtes Fortschreiten der Erkrankung [6].
- Ähnliche Ergebnisse wurden in einer Studie von Hager et al. erzielt. Hierbei erhielten 9 Alzheimer-Patienten über 12 Monate täglich 600 mg ALA. Mit Hilfe des MMSE und ADAScog konnte gezeigt werden, dass sich die kognitiven Funktionen nach der Intervention stabilisierten. Diese Analyse wurde 6 Jahre später mit 43 Patienten über einen Beobachtungszeitraum von 48 Monaten erweitert. Bei den Patienten, die ALA supplementierten, war das Fortschreiten der Alzheimererkrankung langsamer als bei den unbehandelten Patienten [5].
- In der Studie von Shinto et al. wurden 39 Alzheimer-Patienten in drei Gruppen eingeteilt. Gruppe 1 erhielt ein Placebo, während Gruppe 2 Omega-3-Fettsäuren (ω-3) erhielt, die ebenfalls einen therapeutischen Effekt bei Alzheimer zeigen. Gruppe 3 erhielt eine Kombination aus ω-3 und ALA . Im Vergleich zur Placebogruppekonnten die Patienten, die ω-3+ALA supplementierten, einen verminderten kognitiven Abbau sowie eine verbesserte Fähigkeit, alltägliche Aktivitäten selbstständig durchzuführen, erreichen [11].
- In einer weiteren Studie von Galasko et al. wurden 78 Alzheimer-Patienten in drei Gruppen eingeteilt. Gruppe 1 erhielt eine Kombination aus Vitamin E (800 IU), Vitamin C (500 mg) und ALA (900 mg) pro Tag. Gruppe 2 bekam täglich Coenzym Q (1200 mg) und Gruppe 3 ein Placebo. Gruppe 1 hatte nach der Intervention verringerte Biomarker oxidativen Stress, was wiederum auf einen verminderten oxidativen Stress im Gehirn hinweist. Darüber hinaus zeigte Gruppe 1 einen geringeren kognitiven Verfall gegenüber der Placebogruppe [4].
- In einer offenen Pilotstudie an kognitiv intakten älteren Erwachsenen wurden jedoch nach 12 Wochen keine signifikanten Auswirkungen von ALA (600 mg/Tag) auf Kognition oder Stimmung festgestellt. Dies deutet darauf hin, dass die Vorteile von ALA bei Personen mit bestehenden kognitiven Beeinträchtigungen stärker ausgeprägt sein könnten [1]
Diese Studien zeigen, dass eine Supplementierung mit ALA den kognitiven Abbau bei Alzheimer-Patienten verlangsamen und die Fähigkeit zur Durchführung alltäglicher Aktivitäten erhalten kann. Eine Kombination mit anderen Antioxidantien wie Vitamin E oder Omega-3-Fettsäuren kann ebenfalls vorteilhaft sein. Studien deuten darauf hin, dass eine Dosierung von 600-1200 mg ALA pro Tag für Alzheimer-Patienten geeignet ist. Diese Dosis kann jedoch nicht durch eine ALA-reiche Ernährung gedeckt werden, sondern muss zusätzlich durch Nahrungsergänzungsmittel ergänzt werden.
Es ist wichtig zu erwähnen, dass ALA Demenz nicht heilen kann. Wie die Interventionsstudien jedoch zeigen, kann sie vorbeugend oder therapeutisch eingesetzt werden, um dem Fortschreiten der Krankheit entgegenzuwirken.
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Referenzen
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