Wie schon auf der Seite Zucker & Kohlenhydrate beschrieben, ist das Gehirn der energetische Großverbraucher im menschlichen Körper (ca. 25% des Ruheenergieverbrauchs), obwohl es nur 2% der Körpermasse ausmacht. Besonders einfach kann diese Energie über den Blutzucker (Glukose) bereitgestellt werden. Ein großes Problem in der heutigen westlichen Ernährungsweise ist jedoch eine Überflutung des Körpers mit Zucker und daraus resultierende Störungen im Zuckerstoffwechsel, wie z. B. Insulinresistenz und Diabetes mellitus Typ 2. Diese können sich auch negativ auf die Energieversorgung im Gehirn auswirken, und sie stellen einen großen Risikofaktor für die Alzheimer-Krankheit dar. Manche Forscher haben Alzheimer sogar als „Diabetes-Typ-3“ oder „Hirndiabetes“ bezeichnet. Die gute Nachricht lautet: Das Gehirn kann auch andere Energieträger nutzen, insbesondere Ketonkörper, die von der Leber zur Verfügung gestellt werden. Ketonkörper können von Neuronen auch dann energetisch genutzt werden, wenn die Nutzung von Glukose bereits eingeschränkt ist.

Ketonkörper, oder kurz Ketone, werden in den Mitochondrien der Leberzellen aus Fetten, genauer gesagt aus Fettsäuren, über den Prozess abzweigend aus der ß-Oxidation gebildet. Dabei entstehen die drei Ketone Acetoacetat, beta-Hydroxybutyrat und Aceton. Die chemischen Strukturen sind in Bild 1 dargestellt. Ihre Produktion setzt ein, wenn der Insulinspiegel im Blut sinkt und das Hormon Glukagon steigt, insbesondere, wenn zuvor die Zuckerspeicher (Glykogenspeicher) in der Leber aufgebraucht wurden. Dies ist beispielsweise im Hungerstoffwechsel der Fall (z. B. während Fastenperioden), aber auch bei niedriger Kohlenhydratzufuhr und intensivem körperlichem Training. Der Körper befindet sich jetzt in der physiologischen Ketose, die ein alternatives Versorgungsprogramm des Körpers darstellt, um ihn in Zeiten der Energie- und/oder Kohlenhydratknappheit energetisch zu versorgen und ihn am Leben zu erhalten. Dieser physiologische Zustand ist aber nicht zu verwechseln mit der Ketoazidose, einer überschießenden und gefährlichen Ketonbildung, die bei absolutem Insulinmangel, wie z. B. bei einem unbehandelten Typ-1-Diabetes, auftreten kann. Bei der Ketoazidose entstehen bis zu 10-mal mehr Ketonkörper als in Ketose, zugleich ist das Blut übersäuert, ein lebensgefährlicher Zustand! Der Zustand der physiologischen Ketose ist dagegen durch Keton-Konzentrationen von etwa 0,5 bis 3 mmol/l im Blut gekennzeichnet, die ungefährlich sind.

Bild 1: Chemische Strukturen der physiologisch gebildeten Ketone

Die in der Leber gebildeten Ketonkörper stellen letztlich eine alternative Transportform für Energieträger dar. Denn nach Aufnahme durch die Zelle (ZNS und Muskelgewebe) werden die Ketonkörper über Enzyme wieder zu Acetyl-CoA abgebaut und im Citratzyklus und der Atmungskette zur Gewinnung des Zellbrennstoffs ATP genutzt. Dies ist der Grund dafür, dass das menschliche Gehirn auch bei stark reduzierter Kohlenhydratzufuhr über die Fettumwandlung in der Leber gut arbeiten kann. Dies erklärt wiederum auch die heilsame und entschlackende Wirkung des Fastens.

Ketone sind aber nicht nur Brennstoffe: Sie schützen die Neuronen darüber hinaus vor oxidativem Stress, sie wirken entzündungshemmend und fördern die Neubildung neuer Nervenzellen. Ketone sind also eine sehr gute Alternative zum Zucker, zumal ihre Verbrennung effektiver verläuft, denn sie erzeugen pro verbrauchtem Sauerstoffmolekül mehr Energieäquivalente in Form von ATP als Glukose und es entstehen weniger freie Radikale. Das setzt allerdings eine gute Mitochondriengesundheit voraus, denn auch die Verwertung von Ketonen ist auf diese zellulären Kraftwerke angewiesen. Das Umschalten von Zucker- auf Ketonverwertung ist also ein natürlicher Prozess, mit dem auch das gesund alternde Hirn vorhandene Energielücken schließt – sofern es genug Ketone zur Verfügung gestellt bekommt. Dafür braucht es Fett, entweder aus den Körperdepots oder aus der Nahrung.

Die Verwertung von Fetten und Ketonen hat unseren Vorfahren bei Nahrungsknappheit in Jahrmillionen der Evolution das Leben gerettet. Bei uns sorgt sie jede Nacht, wenn wir schlafen und nicht essen, dafür, dass wir gesund bleiben und unser Körper sich wieder Instand setzen kann. Ein derart energiezehrendes und empfindliches Gehirn wie das menschliche wäre mit einer einzigen, noch dazu schwankenden Energiequelle wie der Glukose gar nicht denkbar. Deswegen können Neuronen auch Ketone sowie Milchsäure (Laktat) und Acetat zur Energiegewinnung nutzen.

Da Ketone überwiegend aus Fett gebildet werden (besonders effektiv und schnell aus MCT-Ölen), sollten wir entweder genug Fett essen oder unser Gehirn an die Fettreserven des Körpers anschließen, damit es gleichmäßig und sicher mit Energie, Bau- und Schutzstoffen versorgt werden kann und Versorgungslücken mit Zucker leicht übersteht. Schöner Nebeneffekt: Es kommt nicht zu Heißhunger, wenn es mal nichts zu essen gibt, weil der Körper dann einfach auf die Verwertung seiner Fettdepots umschaltet. Es geht hier nicht darum, den Zuckerstoffwechsel schlecht zu reden oder ihn komplett umgehen zu wollen. Letzteres wäre gar nicht möglich. Ketone könnten dem Gehirn zwar 60 bis 70 Prozent der benötigten Kalorien liefern, der Rest muss allerdings aus Zucker kommen. Doch wenn wir es schaffen, unseren Stoffwechsel flexibel zu halten, sodass er leicht zwischen den verschiedenen Brennstoffen hin und her schalten kann, geben wir ihm die Möglichkeit, Energiekrisen besser zu meistern. Insofern lässt sich auch das Fasten, bei dem vermehrt Ketone gebildet werden, als gutes Stoffwechsel-Training fürs Gehirn ansehen.

Referenzen:

  • Essen! Nicht! Vergessen!: Demenzrisiko einfach wegessen – oder: Wie die Ernährung vor Alzheimer & Co. schützen kann; von Dr. med. Peter Heilmeyer und Ulrike Gonder; Herausgeber : Riva; 2. Edition (6. Dezember 2017)
  • Der Keto-Kompass : Aktuelles Wissen über ketogene Ernährung, Ketone und Ketose – Wirkweisen, Anwendungen und Chancen; von Ulrike Gonder, Julia Tulipan, Marina Lommel und Brigitte Karner; Herausgeber : Riva (27. Dezember 2018)