Die ernährungsbezogene Demenzforschung hat in den letzten Jahren eine Flut von vielversprechenden Daten generiert, wobei in den Studien eher die Qualität der Ernährung aufgrund der Menge bestimmter Nährstoffe oder Inhaltsstoffe (z. B. Omega-3-Fettsäuren, Antioxidantien usw.) oder aufgrund von Ernährungsmustern (z. B. der Mittelmeer- oder MIND-Diät, die einen hohen Obst- und Gemüsekonsum, Vollkornprodukte usw. empfehlen) im Vordergrund stand und deren potentiell positiven Auswirkungen auf die Hirngesundheit ermittelt wurden. In jüngerer Zeit hat sich die Ernährungsweise bei vielen Menschen verändert, und Forscher fangen an, sich auf eine andere Komponente der Ernährung zu konzentrieren: Hochverarbeitete Nahrungsmittel (engl: Ultra-processed Food) auch als Fast Food bezeichnet, und die damit verbundene Gefahr für die neuronale Gesundheit.

Fast Food und Hochverarbeitete Nahrungsmittel – was ist das?

Hierbei handelt sich nicht nur um den schnellen Burger von diversen Gastro-Ketten, sondern vielmehr um einen Großteil der Lebensmittel in unseren Supermärkten. Darunter fallen nämlich alle Lebensmittel, die als Fertigprodukt oder abgepackte Ware in den Regalen erhältlich ist. Dazu zählen fertige Nudel- oder Reisgerichte, Konservenwaren, Soft Drinks, Salzgebäck und Süßigkeiten, abgepackte Backwaren, Fertig-Aufstriche, Fertig-Saucen wie Ketchup und Mayonnaise oder Cerealien und Frühstücksflocken. Der Konsum von hochverarbeiteten Lebensmitteln ist in den letzten Jahren massiv gestiegen. Sie locken Verbraucher förmlich an, denn sie sind unkompliziert, schnell zubereitet, kostengünstig und schmecken lecker.

Wie lässt sich der Verarbeitungsgrad von Lebensmitteln für wissenschaftliche Studien kategorisieren?

Die Einteilung von Lebensmitteln von „unverarbeitet“ bis „hochverarbeitet“ und die wissenschaftliche Validität dieser Zuordnung hat sich tatsächlich als eine größere Herausforderung herausgestellt. Ein mögliches Konzept, das vielen wissenschaftlichen Studien heute als Grundlage dient, ist die sogenannte NOVA-Klassifizierung, die Lebensmittel und Getränke je nach Grad der Verarbeitung in vier Gruppen einteilt [1]:

Gruppe 1:  Unprocessed and minimally processed foods:
Reine, unverarbeitete bis minimal verarbeitete Lebensmittel: z. B. frisches Obst und Gemüse, Fleisch, Fisch, auch in zerkleinerter, getrockneter, gefrorener Form

Gruppe 2: Processed culinary ingredients:
Aus Gruppe 1 (oder der Natur) neu gewonnene Lebensmittel, d. h. Stoffe, die zum Kochen und Würzen von Gruppe 1 verwendet werden und nicht zum Direktverzehr gedacht sind: z. B. Pflanzenöle (gepresst aus Oliven, Nüssen, Samen) etc., Butter (aus Milch), Zucker (aus Zuckerrüben) oder auch Salz

Gruppe 3: Processed foods:
Zubereitete (auch konservierte) Lebensmittel aus Gruppe 1 und 2: z. B. Obst- und Gemüsekonserven, Käse, gesalzene geröstete Nüsse, unverpacktes Brot, frisch gekochte Mahlzeiten

Gruppe 4: Ultra-processed foods:
Hoch-verarbeitete Lebensmittel, die ausschließlich industriell hergestellt werden, meist durch eine Reihe industrieller Prozesse (daher „hochverarbeitet“): z. B. alle Fertiggerichte und verpackte Backwaren, Instant-Nudelgerichte, Hotdogs, Wurstwaren, Mayonnaisen, Soßen, Knabbergebäck wie Chips, Flips und Cracker, Süßigkeiten, Eiscreme, Frühstückcerealien und Limonaden

Für die letzte Gruppe ist charakteristisch, dass die Lebensmittel einen extrem hohen Fett- und/oder Zuckergehalt aufweisen, wobei meist zusätzlich Zucker in Form von Fruktose-haltigen Sirups zugesetzt wird. Die wertvollen Lebensmittelinhaltsstoffe hingegen wie Protein, Ballaststoffe, Mikronährstoffe und die schützenden sekundären Pflanzenstoffe wurden diesen Lebensmitteln im Zuge des Verarbeitungsprozesses in hohem Ausmaß entzogen. Darüber hinaus enthalten diese Nahrungsmittel meist höhere Mengen an toxischen Kontaminanten wie z.B. Mineralöle aus dem maschinellen Verarbeitungsprozess, Weichmachern aus den Verpackungen, Acrylamid durch die starke Erhitzung. Dazu kommen, nicht zuletzt für die optimale Beschaffenheit des Endprodukts, wie Aussehen, Konsistenz, Geschmack etc., oftmals eine Vielzahl von Lebensmittelzusatzstoffen.

Wie wirkt sich eine Ernährung mit hoch-verarbeiteten Lebensmitteln auf die Hirngesundheit aus?

In einer aktuellen epidemiologischen Studie wurde untersucht, wie sich der Ersatz von hochverarbeiteten Lebensmitteln in der Ernährungsweise durch unverarbeitete oder minimal verarbeitete Lebensmittel auf die kognitive Leistung auswirkt [2].

An der Studie nahmen 72 083 Erwachsene, alle im Alter von 55 Jahren oder älter, teil, die zu Beginn der Studie nicht an Demenz erkrankt waren. Jeder Teilnehmer der Studie füllte Ernährungsfragebögen über Oxford WebQ aus, einem validierten web-basierten Ernährungsprogramm. Dieses kann Informationen zu einer Vielzahl an Lebensmitteln und Getränken erfassen, die die Teilnehmer in den letzten 24 Stunden konsumiert wurden. Die Studienautoren definierten hoch-verarbeitete Lebensmittel auf der Grundlage der zuvor beschriebenen NOVA-Klassifizierung, die Lebensmittel und Getränke je nach Grad der Verarbeitung in vier Gruppen einteilt.

Das Ergebnis war, dass eine Ernährungsweise, die 10% hochverarbeitete Lebensmittel (Lebensmittel der Gruppe 4 nach der NOVA-Klassifikation) enthält, das Risiko für Demenzerkrankungen insgesamt um 25% und das Risiko für vaskuläre (gefäßbedingte) Demenz um 28% erhöht. Wenn auch nicht signifikant, so wurde auch ein Anstieg der Alzheimer-Risikos um 14% beobachtet.

Auch der umgekehrte Fall wurde getestet: Wurden die hochverarbeiteten Lebensmitteln aus Gruppe 4 durch unverarbeitete oder minimal verarbeitete Lebensmittel aus Gruppe 1 ersetzt, wurde das Risiko für Demenz und vaskuläre Demenz (aber nicht für Alzheimer) sogar gesenkt. Dabei war eine Dosis-Wirkungsbeziehung erkennbar, denn die Risikoreduzierung nahm mit dem Prozentsatz der Substitution proportional zu: so war das Demenzrisiko bei einer 5-prozentigen Substitution um 10 %, bei einer 10-prozentigen Substitution um 19 % und bei einer 20-prozentigen Substitution sogar um 34 % geringer.

Die Ergebnisse dieser Forschergruppe wurden auch durch weitere Studien bestätigt, die sich mit den Auswirkungen von hochverarbeiteten Nahrungsmitteln auf die Kognition beschäftigten:

  • Erst kürzlich hat ein brasilianisches Team auf der internationalen Konferenz der Alzheimervereinigung eine Studie vorgestellt, an der 8.160 Personen, die nicht an Demenz erkrankt waren und im Schnitt ca. 51 Jahre alt waren, über einen Zeitraum von neun Jahren teilnahmen. Der Verzehr der hochverarbeiteten Lebensmittel wurde durch Fragebögen erfasst. Es kam heraus, dass die Gruppe, die die größte Menge an hochverarbeiteten Lebensmitteln zu sich nahm (mehr als 20 % der täglichen Kalorienzufuhr), einen signifikant höheren Rückgang der Gedächtnisleistung wie auch der Exekutivfunktionen aufwies als diejenigen, die eine geringere Menge dieser Lebensmittel zu sich nahmen [3].
  • Auch in einer neueren Studie aus Australien mit 3.632 gesunden Teilnehmern im Alter von mindestens 60 Jahren [4], die ebenfalls den Zusammenhang zwischen dem Verzehr von hochverarbeiteten Lebensmitteln und deren Auswirkung auf die kognitive Leistung untersuchte, konnte ein signifikanter Effekt erfasst werden. Dieser zeigte sich in einer schlechteren Leistung beim sogenannten Animal Fluency Dies ist ein spezieller Kognitionstest für ältere Erwachsene, der die Sprach- und Exekutivfunktionen einschätzt.
  • In einer israelischen Studie [5] wurden 568 Diabetes Typ-2-Patienten, die 65 Jahre und älter waren, nicht aber an Demenz erkrankt waren, untersucht. Hier wurden auch verschiedene Lebensmittelgruppen in ihrer Wirkung auf die kognitive Leistung erfasst. Das Ergebnis dieses Forschungsprojektes war, dass ein höherer Verzehr von hochverarbeiteten Wurstwaren, industriell hergestelltem Brot und hochverarbeiteten Ölen hochsignifikant mit einer schnelleren Abnahme der Exekutiv-Funktionen und der globalen Kognition einherging. Dies verwundert nicht, da Demenz eine generalisierte Erkrankung mit zahlreichen Risikofaktoren in den metabolischen Prozessen darstellt: insbesondere über die Zusammenhänge zwischen der Zuckerstoffwechselstörung Diabetes mellitus und der Alzheimer-Krankheit haben wir bereits in aller Ausführlichkeit berichtet.

Diese Studien sind, wie alle epidemiologischen Studien, ein Schritt zum Verständnis der mechanistischen Zusammenhänge zwischen Ernährung und Demenz. Man kann sie auch als weitere Teile in einem großen Puzzle verstehen: so ergänzen die genannten Studien zahlreiche Belege für die schädlichen gesundheitlichen Auswirkungen, die mit dem Verzehr von hochverarbeiteten Lebensmitteln verbunden sind, einschließlich Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Übergewicht, Fettleibigkeit, Krebs und Gesamtmortalität. Eine Übersichtspublikation berichtet von 37 derartiger Studien, wobei es in jeder dieser mindestens einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen dem Verzehr hoch-verarbeiteter Nahrungsmittel und einer nachteiligen gesundheitlichen Folge gab, von positiven Auswirkungen wird dagegen in keiner Studie berichtet [6]. Man kann sich also ausmalen, was der steigende Konsum dieser Lebensmittel für die allgemeine Gesundheit und das Gesundheitssystem bedeuten würde.

Dies bedeutet aber im Umkehrschluss, dass eine Umstellung auf einen geringeren Verzehr von hochverarbeiteten Lebensmitteln (Gruppe 4) und einen höheren Verzehr von unverarbeiteten bis wenig verarbeiteten Lebensmitteln (Gruppen 1-3) dazu beitragen kann, Demenz und vielen anderen Zivilisationserkrankungen vorzubeugen. Angesichts der Tatsache, dass die lebenslangen Ernährungsgewohnheiten vieler Menschen in der Kindheit beginnen, würden sich frühe Veränderungen in der Ernährungsweise in der Demenz- und Krankheitsprävention besonders effektiv auswirken, zumal es immer noch keine wirksame medikamentöse Behandlung für Demenz gibt.

Angesichts dieser erdrückenden Beweislast sollten Ärzte ihren Patienten raten, lieber frische Lebensmittel zu essen und zu Hause zu kochen, anstatt Fertiggerichte und Snacks zu kaufen. Weiterhin wäre diese beträchtliche und ständig wachsende Zahl von Erkenntnissen, wie schlecht die hochverarbeiteten Nahrungsmittel für die Gesundheit sind, ein Argument dafür, den „Gesundheitswert“ von Lebensmitteln vom Verarbeitungsgrad abhängig zu machen und dies auch durch eine entsprechende Kennzeichnung für den Verbraucher transparent zu gestalten. Auch bei der Entwicklung von künftigen Ernährungsempfehlungen und -richtlinien sollte dies berücksichtigt unbedingt werden, um die potenziell entstehende Kostenlast für unser Gesundheitssystem rechtzeitig abzuwenden.

Fazit – was diese Studienergebnisse für Ihre Hirngesundheit bedeuten können:

 Aktuelle Beobachtungsstudien haben gezeigt, dass Menschen, die eine Ernährung mit einem definierten Anteil an hochverarbeiteten Lebensmitteln zu sich nehmen, Kognitionseinbußen erleiden und daher ein deutlich höheres Risiko haben, an Demenz zu erkranken. Demnach ist der Einflussbereich auf die Entwicklung von Demenz durch die Art, wie man sich ernährt, enorm groß. Was im ersten Moment klingt wie ein Nachteil, ist in Wahrheit ein besonderer Vorteil. Denn nicht die Gene oder das Alter entscheiden damit in erster Linie, ob wir eine Demenz entwickeln, sondern unser eigenes Ernährungsverhalten, das wir selbst aktiv beeinflussen können. Die Studienergebnisse beweisen, dass selbst Veränderungen in kleinen Bereichen – der Austausch einiger Lebensmittel – signifikante Effekte auf die Gehirngesundheit haben. Es bedeutet keinen absoluten Verzicht und keine massiven Einschränkungen der bisherigen Gewohnheiten, wohl aber eine Reduktion und ein bewusstes Entscheiden gegen gewisse Produkte und für die eigene Gesundheit. 

 Also fangen Sie heute noch an: Ersetzen Sie täglich die Tüte Chips durch einen Apfel, und kochen Sie lieber selbst, statt Fertiggerichte zu kaufen. Ihre Hirngesundheit wird es Ihnen danken!

Referenzen

  1. Monteiro CA, Cannon G, Levy RB, et al (2019) Ultra-processed foods: what they are and how to identify them. Public Health Nutrition: 22(5), 936–941 doi:10.1017/S1368980018003762
  2. Li H, Yang H, Zhang Y, et al. Association of ultraprocessed food consumption with risk of dementia: A prospective cohort (2022) Neurology September 06; 99 (10) DOI: https://doi.org/10.1212/WNL.0000000000200871
  3. Goncalves N, Ferreira NV, Khandpur N, et al. (2022) Consumption of ultra-processed foods and cognitive decline in the ELSA-Brazil study: A prospective study. AAIC Abstract 63301 https://alz.confex.com/alz/2022/meetingapp.cgi/Paper/63301.
  4. Cardoso BR, Machado P, Steele EM (2022) Association between ultra-processed food consumption and cognitive performance in US older adults: a cross-sectional analysis of the NHANES 2011-2014. Eur J Nutr Jul 1. In Print doi: 10.1007/s00394-022-02911-1.
  5. a id=“cite_note-5″ href=“#cite_backlink-5″>↑ Weinstein G, Vered S, Ivancovsky-Wajcman D, Springer RR, et al. (2021) Consumption of ultra-processed food and cognitive decline among older adults with type-2 diabetes. J Gerontol A Biol Sci Med Sci, Mar 19, doi: 10.1093/gerona/glac070.
  6. Leonie Elizabeth, Machado P, Zinöcker M, Baker P, Lawrence M (2020) Ultra-Processed Foods and Health Outcomes: A Narrative Review. Nutrients 12, 1955; doi:10.3390/nu12071955