Wie sich Umweltgifte auf das menschliche Gehirn auswirken und das Risiko einer Alzheimer-Erkrankung erhöhen können

5 Minuten LesezeitVeröffentlicht am: 9. November 2022Von Kategorien: Prävention, Toxin-Reduktion, Ursachen

Wir, das Team von „Kompetenz statt Demenz”, haben begonnen, auch hinsichtlich der Schadstoff- und Gift-Problematik die neueste wissenschaftliche Studienlage für Sie aufzubereiten und auf unserer Homepage in einem neugestalteten Kapitel zur Verfügung zu stellen. Denn unsere Umwelt hat sich in den letzten hundert Jahren tiefgreifend verändert: Während sich der Mensch im Laufe von mehr als 4,5 Millionen Jahren entwickelt hat, sind erst in den letzten 100 Jahren mehr als 90 000 neue chemische Stoffe in fast jeden Aspekt des menschlichen Lebens eingeflossen (1). Diese Produkte sind nicht nur ein fester Bestandteil unserer täglichen Aktivitäten, weil wir sie essen, trinken, einatmen oder uns auf die Haut auftragen, sondern sind auch schon in unser Gewebe eingedrungen. Heute können Labortests viele dieser Chemikalien in unserem Blut, Urin, unserer Plazenta, Muttermilch und Sperma nachweisen. Vom Tag der Empfängnis bis zu unserem letzten Atemzug sind wir Tausenden von schädlichen Chemikalien ausgesetzt, und müssen diese auch wieder loswerden, wenn wir sie aufnehmen. 

Der Zusammenhang zwischen der Belastung durch Umweltschadstoffe und der Alzheimer-Krankheit ist zwar nicht vollständig nachgewiesen, wird jedoch in zahlreichen wissenschaftlichen Studien bereits seit Jahren dokumentiert. Menschen, die Schadstoffen ausgesetzt sind (durch berufliche Exposition oder dadurch, dass sie in Regionen mit hoher Umweltbelastung leben) und höhere Blutwerte von giftigen und schädlichen Substanzen aufweisen, haben ein höheres Risiko, an Demenz zu erkranken.   

Im Jahr 2020 fügte der „Ausschuss für Demenzprävention“ der renommierten medizinischen Fachzeitschrift The Lancet Neurology , die zur Vorbeugung von Demenz beitragen könnten, die „Luftverschmutzung“ zur Liste der veränderbaren Risikofaktoren hinzu: „Partikelschadstoffe in der Luft beschleunigen neurodegenerative Prozesse durch zerebrovaskuläre (die Hirndurchblutung betreffende)  und kardiovaskuläre (die Herzdurchblutung betreffende) Erkrankungen, Alzheimer-spezifischen Ablagerungen (Amyloid-Beta Proteine) und die Verarbeitung ihrer Vorläuferproteine. Hohe Stickstoffdioxid-Konzentrationen, Feinstaub aus Verkehrsabgasen und Feinstaub aus der Holzverbrennung in Privathaushalten werden mit einer erhöhten Demenzinzidenz in Verbindung gebracht“, heißt es in dem Bericht.  

Aber nicht nur Feinstaub, auch viele andere Umweltkontaminanten (wie beispielsweise Pflanzenschutzmittel, Metalle, Schimmelpilzgifte, Mikroplastik, Mineralöle, industrielle Hilfsstoffe wie Weichmacher, Lebensmittelzusatzstoffe, etc.), Genussmittel wie Alkohol und Tabak, aber auch Medikamente (wie z.B. die für zahlreiche Indikationen verordneten Anticholinerga) können mit einem erhöhten Alzheimer-Risiko in Verbindung gebracht werden. 

 

Doch wie wirken sich Schadstoffe und Toxine auf das Nervensystem aus und verursachen Neurodegeneration?  

Es sind verschiedene Mechanismen beteiligt:   

  • Zerstörung der Blut-Hirn-Schranke: Einige Giftstoffe, wie z. B. Schwermetalle, erhöhen die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke und können den gesamten bei der Alzheimer-Krankheit beobachteten Neurodegenerationsprozess auslösen.  
  • Oxidativer Stress: Die überwiegende Mehrheit der Giftstoffe wirkt durch oxidativen Stress, d. h. durch einen starken Anstieg der Produktion freier Radikale bei gleichzeitigem Fehlen ausreichender Antioxidantien. Anzeichen für oxidative Schäden gehen anderen pathologischen Ereignissen bei Alzheimer voraus und sind ein frühes Ereignis in der Entstehung der Krankheit. 
  • Protein-Aggregation: Umweltneurotoxische Stoffe können die Proteinverarbeitung stören und zu Neurodegeneration führen. Die Ablagerung von Amyloid-Beta- und Tau-Proteinen kann durch das Vorhandensein bestimmter Toxine im Nervensystem ausgelöst werden.  
  • Mitochondriale Dysfunktion: Umweltgifte können die Funktion der Mitochondrien beeinträchtigen, wodurch die Energieversorgung der Nervenzellen kompromittiert wird und es zur Neurodegeneration kommt.  
  • Dysfunktion der Gehirn-Darm-Achse: Die Gesundheit des Gehirns wird von der Gesundheit des Darms, genauer gesagt des Darmmikrobioms, beeinflusst. Die Darmmikrobiota moduliert die Neuroinflammation und spielt daher eine Rolle bei der Neurodegeneration. Einige toxische Substanzen können eine Darmdysbiose, d. h. ein Ungleichgewicht der Darmmikrobiota, hervorrufen.   
  • Entzündungen: Toxische Substanzen und Schadstoffe können Entzündungsreaktionen auslösen, einschließlich einer übermäßigen Produktion von entzündungsfördernden Zytokinen. Diese Substanzen beeinträchtigen die neuronale Gesundheit und Funktion. Die Alzheimer-Krankheit ist bekanntlich eine Krankheit mit chronischer systemischer Entzündung, zu der viele Faktoren beitragen, darunter auch giftige Stoffe aus der Umwelt.  

Ein großes Problem, das im Zusammenhang mit Toxinen und Schadstoffen berücksichtigt werden muss, ist das Phänomen der Bioakkumulation. Langfristige Exposition gegenüber demselben Umweltschadstoff, selbst in geringen Mengen, kann sich im Laufe des Lebens in Organen und Geweben anreichern und zu negativen gesundheitlichen Folgen führen, insbesondere, wenn das körpereigene Entgiftungssystem an seine Grenzen kommt oder die jeweiligen Substanzen schwer ausscheidbar sind. Einige Studien zeigen, dass eine solche Akkumulation eine Entzündung im zentralen Nervensystem (Neuroinflammation) auslösen und eine Kette neuropathologischer Veränderungen hervorrufen kann. Diese können nachweislich zur Entwicklung der Alzheimer-Krankheit und anderer neurodegenerativer Erkrankungen führen.   

Darüber hinaus gibt es eine wachsende Zahl von Studien, die sich mit dem Einfluss der Schadstoffbelastung in der frühen Kindheit auf neurologischen Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson, aber auch entwicklungsbezogenen neurologischen Störungen wie Autismus-Spektrum-Störungen und Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung ADHS befassen. Es ist bereits bekannt, dass der frühe Lebensabschnitt für die Reifung des Gehirns von entscheidender Bedeutung ist und dass zahlreiche Umweltfaktoren, die in dieser Zeit das heranwachsende Gehirn belasten, seine langfristige Funktionalität erheblich beeinträchtigen können, was wiederum starke Auswirkungen auf die lebenslange (Gehirn-)Gesundheit hat. 

Hier wird deutlich, dass die Vorbeugung der Alzheimer-Krankheit auch mit der Kontrolle der Umwelt und der Gifte, mit denen wir in unserem täglichen Leben in Kontakt kommen, zusammenhängt. Dazu sollte zum einen die Belastung durch diese hirntoxischen Substanzen kontrolliert werden, und gleichzeitig auch die Fähigkeit unseres Körpers, die Giftstoffe wieder auszuscheiden, optimiert werden. Außerdem ist es besonders wichtig, mit den Präventionsmaßnahmen bereits in der Kindheit zu beginnen, da das sich entwickelnde Gehirn deutlich anfälliger für die negative Wirkung von Umweltstoffen ist.   

 

Fazit:   

Einige Besonderheiten des menschlichen Gehirns machen es sehr anfällig für die Auswirkungen der in der Umwelt vorhandenen Gifte. Viele Stoffe wie Pflanzenschutzmittel, Feinstaub/Luftverschmutzung, Schwermetalle, industrielle Hilfsstoffe, Medikamente, etc. werden mit der Förderung der Neurodegeneration und der Erhöhung des Demenzrisikos in Verbindung gebracht. Es gibt viele verschiedene Mechanismen, über die sich Schadstoffe und Toxine auf das Gehirn auswirken und die Neurodegeneration fördern können: Entzündung, oxidativer Stress, mitochondriale Dysfunktion, veränderte Darmmikrobiota und verstärkte Bildung anormaler Proteine. Es ist wichtig zu wissen, dass sich selbst kleine Mengen desselben Toxins oder Schadstoffs, die über einen längeren Zeitraum aufgenommen werden, im Gehirn anreichern und zu negativen gesundheitlichen Folgen führen können. Daher ist es besonders wichtig, die Belastung mit diesen hirntoxischen Substanzen so gering wie möglich zu halten, mögliche Belastungen labordiagnostisch zu erfassen und gleichzeitig auch die Fähigkeit unseres Körpers, die Giftstoffe wieder auszuscheiden, zu optimieren. 

Kinder sind für diese negativen Auswirkungen besonders anfällig, und eine Substanzexposition in der Kindheit kann auch das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen im späteren Leben erhöhen. Sie müssen noch stärker geschützt werden! 

Weitere Informationen über die Auswirkungen von Toxinen und Schadstoffen und das Risiko der Alzheimer-Krankheit finden Sie in unserem neu-gestalteten Kapitel „Toxine und Schadstoffe reduzieren“ auf der KsD-Seite. Lesen Sie hier unter anderem, warum gerade das Hirn, und insbesondere das kindliche, so anfällig gegenüber toxischen und schädlichen Substanzen ist und was bereits über bestimmte Substanzgruppen wie Pestizide und Anticholinerga in diesem Zusammenhang bekannt ist. Wir bauen dieses Kapitel stetig weiter aus und halten Sie mit weiteren Beiträgen auf den Laufenden, und helfen Ihnen so auch in Zukunft, informiert zu bleiben und sich bestmöglich vor Umweltgiften schützen zu können!    

 

Referenzen: 

  1. Cohen A, Vom Saal F. Non-Toxic: A guide to living healthy in a chemical world, Oxford University Press 2020

  2. Cannon JR, Greenamyre JT. The role of environmental exposures in neurodegeneration and neurodegenerative diseases. Toxicol Sci. 2011 Dec;124(2):225-50. doi: 10.1093/toxsci/kfr239. Epub 2011 Sep 13. PMID: 21914720; PMCID: PMC3216414 

 

 

 

 

 

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