Kann aerobes Training den kognitiven Abbau bei Alzheimer-Patienten reduzieren? – Ergebnisse aus einer neuen randomisierten kontrollierten Studie.

3,3 Minuten LesezeitVeröffentlicht am: 31. März 2021Von Kategorien: Behandlungsformen, Klinische Studien, Prävention

Körperliche Bewegung ist ein wichtiger Bestandteil eines gesunden Lebensstils und trägt zur allgemeinen Fitness, zur Muskelkontrolle und Koordination wie auch zum allgemeinen Wohlbefinden bei. Weiterhin ist durch körperliche Aktivität eine ausreichende Durchblutung des Gehirns sichergestellt und dadurch wird auch das Wachstum und Überleben der Gehirnzellen stimuliert. 

Die positive Wirkung von körperlicher Bewegung in der Demenzprävention wurde durch viele Beobachtungsstudien unterstützt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass körperliche Betätigung zu einer Vergrößerung des Hirngewebes, einschließlich des Hippocampus, führt und die Blutspiegel des sogenannten Brain Derived Neurotrophic Factor (BDNF) erhöht, wodurch die Bildung neuer Nervenzellen angeregt wird (1).

Weiterhin konnte in Tiermodellen gezeigt werden, dass aerobes Training die pathologischen Merkmale der Alzheimer-Krankheit, also die Bildung der typischen Protein-Ablagerungen im Gehirn (Amyloid-beta und hyperphosphorylierte Tau-Ablagerungen) vermindert und auch, dass es Entzündungsprozessen im Gehirn (Neuroinflammation), oxidativem Stress (Bildung freier Radikale) und einer verminderten Glukoseaufnahme entgegen wirkt (2). Auch konnten Verhaltensauffälligkeiten und die Gedächtnisleistung bei Patienten mit leichten Symptomen von Demenz durch körperliche Aktivität verbessert werden (3).

Während es an der positiven Wirkung von aerobem Training in der Prävention und Behandlung von frühen Stadien der Alzheimer-Krankheit kaum Zweifel gibt, haben seine Auswirkungen in fortgeschritteneren Stadien der Krankheit in verschiedenen klinischen Studien widersprüchliche Ergebnisse gezeigt. Die Frage, ob aerobes Training das Fortschreiten der Krankheit bei Patienten mit mittelschweren bis schweren Symptomen verzögern kann, blieb daher noch zu beantworten.

Um diese unklaren Datenlage zu klären, wurde eine kürzlich randomisierte kontrollierte Studie durchgeführt, deren Ergebnisse Anfang 2021 im Journal of Alzheimer’s Disease veröffentlicht wurden (4). In dieser Studie wurden 96 ältere Erwachsene (66 Jahre oder älter) mit moderaten Demenzsymptomen in zwei Gruppen eingeteilt: Die Interventionsgruppe bekam als aerobes Training dreimal wöchentlich 20-50 Minuten Radfahren für 6 Monate verordnet, während die Kontrollgruppe Dehnungs- und Bewegungsübungen mit der gleichen Häufigkeit und Dauer durchführen sollte. Die Teilnehmer beider Gruppen mussten sich vor Beginn der Studie und nach 3, 6, 9 und 12 Monaten dem sogenannten Alzheimer’s Disease Assessment Scale-Cognitive Subscale (ADAS-Cog) unterziehen. Dies ist ein neuropsychologischer Beurteilungstest, der häufig in klinischen Studien verwendet wird, um den Schweregrad der kognitiven Symptome einer Demenz abzuschätzen. Es findet insbesondere auch Anwendung in klinischen Studien mit Demenz-Medikamenten.

Nach 6 Monaten hatten die radfahrenden Teilnehmer einen geringeren Anstieg des ADAS-Cog als erwartet, was bedeutet, dass das Fortschreiten der Krankheit in der Interventionsgruppe langsamer war als es normalerweise bei Alzheimer-Patienten beobachtet wird.  Es gab jedoch keine signifikanten Unterschiede im kognitiven Abbau nach 6 und 12 Monaten zwischen beiden Gruppen. Das könnte bedeuten, dass aerobes Training in der Tat nicht wesentlich effektiver ist als Stretching oder leichte Übungen. 

Interessanterweise wurden die Ergebnisse möglicherweise durch die Tatsache verzerrt, dass sich in der der Stretching-Gruppe, also der Kontrollgruppe, unbeabsichtigt das Maß an sozialer Interaktion erhöht hatte: Diese Patienten verbrachten viel Zeit miteinander, im Gegensatz zur Radfahrgruppe, bei der die körperliche Beanspruchung den Rahmen der sozialen Interaktionsmöglichkeiten deutlich stärker eingeschränkt hat.  Da Bewegung und soziale Interaktion die Kognition nachweislich in ähnlicher Weise positiv beeinflussen, könnte dies der Grund sein, warum es keinen signifikanten Unterschied im kognitiven Abbau zwischen den beiden Gruppen gab.

Diese Studie unterstützt somit frühere Ergebnisse und bestätigt die Hypothese, dass aerobes Training das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen kann, indem es den kognitiven Abbau bei Patienten mit Alzheimer-Krankheit reduziert. Sie unterstützt aber auch die zunehmend anerkannte Empfehlung eines multifaktoriellen Ansatzes im Kampf gegen die Alzheimer-Krankheit, die neben körperlicher Aktivität jeder Art auch soziale Interaktionen, gesunde Ernährung, und viele weitere Faktoren miteinschließt. Informieren Sie sich hier gerne über die vielfältigen Lebensstil-Optionen zur Prävention und/oder Behandlung von Demenz. Denn eines ist klar: Ein gesunder Lebensstil scheint sich in jedem Stadium der Erkrankung positiv auszuwirken!

Und falls Sie gerne noch mehr zu diesem spannnenden Thema ‘Bewegung und Demenz’ erfahren möchten, schauen Sie bitte hier bei ‘Kompetenz statt Demenz’. 

Fazit:

Aerobes Training reduziert den kognitiven Abbau bei Patienten mit moderaten Symptomen der Alzheimer-Krankheit. Allerdings scheint sein Einfluss auf das Fortschreiten der Krankheit nicht größer zu sein als andere Lebensstil-Interventionen wie verschiedene Formen der körperlichen Aktivität zusammen mit sozialen Interaktionen. Ein multifaktorieller Ansatz ist daher die optimale Behandlung für Demenz.

Referenzen:

1.    Erickson KI, Voss MW, Prakash RS, et al. Exercise training increases size of hippocampus and improves memory. Proc Natl Acad Sci U S A. 2011 Feb 15;108(7):3017-22. 

2.    McGurran H, Glenn JM, Madero EN, Bott NT. Prevention and Treatment of Alzheimer’s Disease: Biological Mechanisms of Exercise. J Alzheimers Dis. 2019;69(2):311-338.

3.    Baker LD, Frank LL, Foster-Schubert K, et al. Effects of aerobic exercise on mild cognitive impairment: a controlled trial. Arch Neurol. 2010 Jan;67(1):71-9

4.    Yu F, Vock DM, Zhang L, et al. Cognitive Effects of Aerobic Exercise in Alzheimer’s Disease: A Pilot Randomized Controlled Trial. J Alzheimers Dis. 2021 Jan 26. 

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