Neue Bluttests für Alzheimer sagen pathologische Hirnveränderung frühzeitig voraus
Die Diagnose der Alzheimer-Krankheit (AD) stellt seit vielen Jahren eine Herausforderung für Neurologen dar. Es ist schwierig festzustellen, ob jemand an Alzheimer erkranken wird oder ob das aktuelle kognitive Defizit auf Alzheimer oder eine andere Ursachen der Demenz zurückzuführen ist. Ebenso schwierig ist es, das Tempo oder den Verlauf des Fortschreitens der Krankheit vorherzusagen.
Es ist bereits bekannt, dass sich pathologische Hirnveränderungen, sog. Amyloid-Plaques und Tau-Fibrillen, bei Alzheimer lange Zeit vor dem Auftreten klinischer Symptome bilden. Wir wissen auch, dass Veränderungen und Anpassungen des Lebensstils die einzige wirksame Behandlung gegen den kognitiven Verfall sind, besonders dann, wenn sie in frühen Krankheitsstadien eingeleitet werden. Aus diesem Grund wäre ein Test, der vorhersagen könnte, wann der Prozess beginnt und in welchem Rhythmus er fortschreitet, ein nützliches diagnostisches Instrument in der klinischen Praxis.
Heutzutage stehen verschiedene Diagnosemöglichkeiten zur Verfügung (siehe Abschnitt Diagnose für weitere Informationen), aber sie sind teuer und schwierig im Praxisalltag umzusetzen. Auch erfordern sie in der Regel bildgebende Techniken, die teuer und zeitaufwendig sind und teilweise mit radioaktiven Tracer-Substanzen arbeiten, oder sie bedingen invasive medizinische Verfahren wie die Lumbalpunktion, die nicht frei von unerwünschten Wirkungen und Risiken ist.
Daher bergen zwei neue AD-Tests, die im letzten Jahr entwickelt wurden, die Hoffnung, eine schnelle und einfache, aber auch präzise Diagnosemöglichkeit zur Verfügung zu haben.
Eine im August 2019 veröffentlichte Studie stellt einen Bluttest vor, der einen Biomarker für frühe Amyloid-Plaque-Bildung heranzieht, die Plasma-Konzentration von A42/A40. Diese steht in hoher Übereinstimmung mit dem Amyloid-Status im PET-Scan, einer der oben erwähnten bildgebenden Techniken. Es konnte gezeigt werden, dass die Plasmakonzentration von A42/A40, insbesondere in Kombination mit dem Alter und dem APOE4-Status der Patienten (siehe Abschnitt Genetik für weitere Informationen), eine genaue Diagnose der Hirnamyloidose ermöglicht. Dabei konnte diese pathologische Veränderung bei Personen mit normaler kognitiver Funktion, d.h. bereits vor dem Auftreten von demenziellen Symptomen, erfolgreich untersucht werden. Es zeigte sich auch, dass Personen mit einem negativen Amyloid-PET-Scan und positivem Plasma A42/A40 ein erhöhtes Risiko für die Umwandlung in einen positiven Amyloid-PET-Scan haben. Daher würde sich dieser Test zum Screening von Personen eignen, die möglicherweise eine Amyloidablagerung im Gehirn aufweisen, die noch nicht im bildgebenden Verfahren sichtbar ist, und daher ein erhöhtes Risiko für AD haben.
In einer weiteren Studie, die im Mai 2020 in Lancet Neurology veröffentlicht wurde, entwickelten und validierten die Autoren einen hochempfindlichen Blut-Immunoassay für die frühe Detektion von Tau-Fibrillen. Die biochemische Grundlage für diesen Test ist die Entstehung des sogenannten p-tau181, welches durch die Übertragung eines Phosphatrestes auf die Aminosäure Threonin im Tau-Protein gebildet wird. Die p-tau181-Konzentration wurde bereits in der Rückenmarksflüssigkeit, dem sog. Liquor, gemessen und ist ein hochspezifischer Biomarker für die Entstehung der Alzheimer-Krankheit. Mit dieser Studie zeigten die Autoren, dass auch der p-tau181-Spiegel im Blut pathologische Veränderungen von Tau- und Amyloid-Protein vorhersagen und die Alzheimer-Krankheit mit hoher Genauigkeit von anderen neurodegenerativen Erkrankungen unterscheiden kann. Darüber hinaus sagt sie den kognitiven Rückgang und die Atrophie des Hippocampus über einen Zeitraum von einem Jahr voraus und eignet sich daher als Marker für den Krankheitsverlauf.
Beide Tests haben den Vorteil, dass sie in einer Blutprobe durchgeführt werden können, und wären in der Lage, das Risiko der Entwicklung einer kognitiven Abnahme und ihres Fortschreitens frühzeitig vorherzusagen. Sie stellen somit einfache, praktische, skalierbare und vor allem kostengünstige Testmöglichkeit für die Diagnose der AD dar. Sie sind noch nicht auf dem Markt erhältlich, haben aber großes Potenzial, in die klinische Praxis als Schnell-Screeningtest zur Diagnose oder Ausschluss von AD, oder aber zur Therapieführung bei Demenzpatienten aufgenommen zu werden.
In Anbetracht der Relevanz von Lebensstil-Maßnahmen für die Behandlung und Prävention von AD bieten diese Tests Sicherheit und Gewissheit darüber, wann und in welchem Ausmaß Maßnahmen zur Behandlung kognitiver Beeinträchtigungen stattfinden sollen. Sie stellen somit auch ein großartiges Instrument dar, Personen einfach und vor allem frühzeitig zu screenen, klinische Alzheimer-Studien zu unterstützen, Lebensstil-Interventionen zu fördern und unser Wissen über diese herausfordernde Krankheit zu verbessern.
Fazit:
Zwei neue Tests für die Alzheimer-Krankheit, die hochspezifische Biomarker-Substanzen im Blut bestimmen, sind entwickelt worden. Diese vergleichsweise schnellen, präzisen und kostengünstigen Bluttests hätten wichtige klinische Anwendungen: als Screening-Instrument in der Primärversorgung und zur Diagnose-Sicherung, wie auch zur Überwachung des Krankheitsverlaufs. Weiterhin wären sie ein Mittel, mit dem man verifizieren kann, dass Teilnehmer an klinischen Studien tatsächlich an Alzheimer erkrankt sind und dass die Behandlungen, die sie testen, wirksam sind. Sie könnten zu einem wichtigen Instrument werden, um eine genaue und frühe Diagnose zu gewährleisten und Ärzte und Patienten zu motivieren, frühzeitig Lebensstiländerungen vorzunehmen, um eine Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten und das Fortschreiten der Krankheiten zu verhindern. KsD wird seine Leser über die Verfügbarkeit dieser oder anderer Tests aktuell informieren (melden Sie sich gerne noch heute für unseren Newsfeed an).
Referenzen:
- Karikari TK, Pascoal TA, Ashton NJ, et al. Blood phosphorylated tau 181 as a biomarker for Alzheimer’s disease: a diagnostic performance and prediction modelling study using data from four prospective cohorts. Lancet Neurol. 2020;19(5):422-433. doi:10.1016/S1474-4422(20)30071-5. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32333900/
- Schindler SE, Bollinger JG, Ovod V, et al. High-precision plasma β-amyloid 42/40 predicts current and future brain amyloidosis. Neurology. 2019;93(17):e1647-e1659. doi:10.1212/WNL.0000000000008081 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31371569/