Alzheimer = Diabetes Typ-3: Insulinresistenz im Gehirn verursacht Alzheimer-Krankheit 

4 Minuten LesezeitVeröffentlicht am: 25. August 2021Von Kategorien: Prävention, Ursachen

Unser Gehirn ist einer der größten Glukoseverbraucher unseres Körpers. Nicht alle Areale des Gehirns benötigen das Hormon Insulin, um Glukose aufzunehmen und arbeiten somit Insulin-unabhängig. Allerdings ist dies in den Zellen des Hippocampus, also der Gehirnregion, die für unsere Gedächtniskonsolidierung verantwortlich ist und mit als erstes von Alzheimer und Demenz betroffen ist, anders: hier wird – wie Forscher kürzlich herausgefunden haben – Insulin benötigt, um die Neuronen in Zeiten mit erhöhtem Energiebedarf ausreichend mit Glukose zu versorgen (1). 

So ist es nicht erstaunlich, dass bei einer Insulinresistenz, wie beispielsweise während oder im Vorfeld einem Diabetes Typ-2, auch das Gehirn unter einer Glukosemangel leiden kann. Diese gestörte Glukose-Verwertung und die damit verbundene Energiekrise im Gehirn wurde auch in bildgebenden Verfahren, im sogenannten PET-Scan, bei Alzheimerpatienten sichtbar gemacht (2).  

Heute gilt es als gesichert, dass die Alzheimer-Erkrankung eine Folge dieser Unterversorgung des Gehirns sein kann, und dass sie eng mit dem Diabetes Typ-2 zusammenhängt. So haben Diabetiker ein ca. doppelt so hohes Risiko, an Alzheimer zu erkranken, wie Nicht-Diabetiker (3). Die Herabsetzung der Energiegewinnung im Hippocampus gilt als sehr frühes Ereignis im Zuge der Alzheimer-Erkrankung und geht der Symptomatik Jahre bis Jahrzehnte voraus. In diesem Zusammenhang prägte die Ärztin Suzanne de le Monte 2008 den Begriff ‚Diabetes Typ-3‘ für diese zerebrale (das Großhirn betreffende) Form der Insulinresistenz: demnach stellt die Alzheimer-Demenz eine Form von Diabetes dar, die sich mit Typ-2-Diabetes mellitus überschneiden, aber auch isoliert im Gehirn vorliegen kann. D.h. es gibt auch Alzheimer-Patienten mit einem zerebralem Energiedefizit, die nicht an Diabetes Typ-2 leiden (4). Dies sollte nicht mit dem Diabetes Typ-3c, dem sogenannten pankreatogener Diabetes, verwechselt werden. Diese Form des Diabetes entsteht durch Erkrankungen oder Verletzungen der Bauchspeicheldrüse (Pankreas), die unter anderem die Insulinausschüttung beeinträchtigen. 

Weiterhin zeigt sich auch in Studien eine enge Korrelation zwischen dem (im PET-Scan gemessenen) zerebralen Glukosemangel und den reduzierten kognitiven Fähigkeiten von Alzheimer-Patienten. Wir wissen heute, dass der Hungerzustand des Gehirns auf Dauer zum Erliegen seiner spezifischen Funktionen und zum Absterben von Gehirnzellen führt, was sich besonders auffällig an der Einschränkung des Gedächtnisses zeigt. Aber wie kommt es zu dieser zerebralen Unterversorgung? 

Anders als das Muskel- und Fett-Gewebe galt das Gehirn lange Zeit als insulinunabhängiges Organ. Aber da nahezu alle Gehirnzellen sind mit Insulinrezeptoren ausgestattet sind und das Gehirn auch selbst in der Lage ist, eigenes Insulin zu produzieren, wird schnell klar, dass das Gehirn auf Insulin angewiesen ist, um zu funktionieren: Insulin hat neben der Glukoseaufnahme zahlreiche weitere wichtige Funktionen hat, darunter auch die Förderung der Synapsenbildung und der neuronalen Entwicklung, und spielt so eine Schlüsselrolle für unsere kognitive Funktion (5). 

Wenn eine Insulinresistenz im Körper vorliegt, gelangt nur noch wenig Insulin aus dem Körperkreislauf durch die Bluthirnschranke ins Gehirn. Auch kann die hirneigene Insulinsynthese als Antwort auf die Insulinresistenz im Körper vermindert sein. Auf diese Weise entsteht ein Insulinmangel im Gehirn, der sich im Zuge der Alzheimererkrankung zu einer zerebralen Insulinresistenz entwickelt (6).  

Ein Mangel an Insulin kann aufgrund der Multifunktionalität dieses Hormons verheerende Folgen haben. Er führt – neben der Energieunterversorgung – auch zu einem Verlust der synaptischen Plastizität, zu Amyloid-ß- und neurofibrillären Ablagerungen, zu Acetylcholin-Mangel, zu oxidativem Stress, zur mitochondrialen Dysfunktion und zur Entzündung des Gehirns, der Neuroinflammation, allesamt wesentliche Bausteine in der Alzheimer-Pathologie. 

 

Fazit:  

Der Zusammenhang zwischen Diabetes mellitus und Alzheimer ist seit langer Zeit bekannt. Heute weiß man auch, dass die Störung des Glukose-Stoffwechsels im Hippocampus zu einer Energieunterversorgung führt, die auf eine Störung der Insulinsignalkaskade zurückgeht. Insulin besitzt im zentralen Nervensystem neben der Glukoseaufnahme entscheidende regulatorische Funktionen. Die bei der Alzheimerkrankheit auftretende zerebrale Insulinresistenz ist durch einen Insulinmangel geprägt und kann verheerende Folgen haben, der langsam, aber sicher zum kognitiven Verfall führt. Somit wird immer deutlicher, dass Alzheimer-Demenz eine komplexe neuro-endokrine Störung darstellt, die dem Diabetes Typ 2 ähnelt, sich aber von ihm unterscheidet und daher zurecht als Diabetes Typ 3 bezeichnet wird. Da diese Störungen lange vor den Alzheimertypischen Symptomen auftreten, ist insbesondere das frühzeitige Erkennen und Behandeln einer Insulinresistenz entscheidend in der Prävention und Therapie der AlzheimerErkrankung. 

Und vergessen Sie bitte nicht, dass es ganz einfache Lebensstilmaßnahmen gibt, die helfen einer Insulinresistenz vorzubeugen. Die Top 3 sind: Regelmäßige sportliche Betätigung, Verzicht auf raffinierte Zucker insbesondersogenannten HFCS (high fructose corn sirup) – eine Mischung aus 50% Fructose und 50% Glukose, die als billiges Süßungsmittel in Industrieprodukten wie Life-Style-Getränken zum Einsatz kommt – und generell eine Ernährung, die der MIND-Diät oder zumindest einer mediterranen Ernährung entspricht. 

 

Damit Sie noch tiefer in dieses spannende Thema einsteigen können, haben wir für Sie bei ‚Kompetenz statt Demenz‘ auf Basis der aktuellen wissenschaftlichen Datenlage ein detailliertes Update über den Zusammenhang zwischen Diabetes und Alzheimer bereitgestellt. Schauen Sie dazu bitte unter (Zerebrale Insulinresistenz) und lernen Sie, wie wichtig ein gesundes Blutzuckermanagement in der Prävention und Therapie der Alzheimer-Erkrankung ist. 

 

Referenzen: 

  1. EC McNay, J Pearson-Leary (2020) GluT4: A central player in hippocampal memory and brain insulin resistance. Exp Neurol 323/113076: 1-9. DOI 10.1016/j.expneurol.2019.113076.    
  2. L Mosconi (2005) Brain glucose metabolism in the early and specific diagnosis of Alzheimer’s disease. European Journal of Nuclear Medicine and Molecular Imaging 32: pp 486–510. DOI 10.1007/s00259-005-1762-7.  
  3. A Ott, RP Stolk, A Hofman, F van Harskamp, DE Grobbee & MMB Breteler (1996) Association of diabetes mellitus and dementia: The Rotterdam Study. Diabetologia 39: pp 1392–1397. DOI 10.1007/s001250050588.     
  4. SM de la Monte, JR Wands (2008) Alzheimer’s disease is type 3 diabetes-evidence reviewed. Diabetes Sci Technol 2(6): pp 1101-13. DOI: 10.1177/193229680800200619.       
  5. JCC Shieh, PT Huang, YF Lin (2020) Alzheimer’s Disease and Diabetes: Insulin Signaling as the Bridge Linking Two Pathologies. Molecular Neurobiology 57:1966–1977 DOI: 10.1007/s12035-019-01858-5  
  6. E Steen, BM Terry, EJ Rivera, JL Cannon, TR Neely, R Tavares, XJ Xu, JR Wands JR, SM de la Monte SM (2005) Impaired insulin and insulin-like growth factor expression and signaling mechanisms in Alzheimer’s disease–is this type 3 diabetes? Journal of Alzheimer’s Disease 7(1): pp 63-80. DOI: 10.3233/jad-2005-7107.  

 

 

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