Neue Theorie in der Demenzforschung: Könnte Fruktose Alzheimer auslösen?
Fruchtzucker – allein vom Namen her könnte man schon denken, dass er gesund ist. Auch die Tatsache, dass der Fruchtzucker, im Fachjargon auch als „Fruktose“ bezeichnet, durch seinen niedrigen glykämischen Index den Blutzuckerspiegel kaum ansteigen lässt und weitgehend insulinunabhängig verwertet wird, ließ in der Vergangenheit eine günstige Wirkung auf die Gesundheit vermuten. Aus diesem Grund wurde sie früher auch Patienten mit Diabetes mellitus als gesundheitlich unbedenkliche Zuckeralternative empfohlen.
Inzwischen haben neue Studien unser Verständnis von Fruktose vertieft, und wir wissen, dass ihre Auswirkungen auf den menschlichen Stoffwechsel nicht so vorteilhaft sind, wie wir dachten. Dennoch hat sie bis heute immer noch ein denkbar gutes Image: Fruktose wird in der Öffentlichkeit als „harmloser Zucker“ oder gar „gesunder Zucker“ umworben und wird aufgrund niedrigerer Produktionskosten und höherer Süßkraft im Vergleich zum Haushaltszucker (Saccharose) exzessiv als industrielles Süßungsmittel z.B. in Form von enzymatisch verarbeiteten Mais-Sirup eingesetzt. Auch nehmen wir möglicherweise über vermeintlich gesunde Quellen (z.B. Fruchtsaft, Akaziendicksaft) recht hohe Mengen an Fruktose zu uns.
Aber können wir dies bedenkenlos tun? Die Antwort ist eindeutig NEIN!
Was macht die Fruktose so gefährlich?
Dass sich Fruktose ungünstig auf die Gesundheit auswirken kann, weiß man in Fachkreisen schon recht lang. Grund hierfür ist, dass – im Gegensatz zum Glukosestoffwechsel – die gesamte Last der Verstoffwechselung der Fruktose bei der Leber liegt. Die Fruktose wird unter starkem Energieverbrauch sehr schnell in Fett umgewandelt und gespeichert. Daher verwundert es nicht, dass zahlreiche Studienergebnisse der letzten Jahre gezeigt haben, dass sich unter der bevorzugten Verwendung dieser Zuckerart verstärkt Übergewicht, Leberverfettung, schlechte LDL-Cholesterinwerte, erhöhte Harnsäurewerte mit daraus resultierender Gichterkrankung und Bluthochdruck entwickeln können. Auch ist bekannt, dass der regelmäßige Verzehr großer Mengen an Fruktose über einen längeren Zeitraum zu einer Insulinresistenz führen kann, da sich die Empfindlichkeit der Zellen gegenüber Insulin verringert. Insgesamt ist die exzessive Verwendung von Fruktose ein Schlüsselfaktor für die zunehmende Ausbreitung metabolischer Erkrankungen, wie z.B. der nicht-alkoholischen Fettleber, und ein weiteres Element bei der Förderung einer unterschwelligen chronischen Entzündung im Körper (1).
Aber es kommt noch schlimmer: Immer mehr Studien berichten von einem engen Zusammenhang zwischen Fruktose und der Alzheimer-Erkrankung und man weiß heute mit großer Sicherheit, dass ein Zuviel an Fruktose äußerst schädlich für unser Gehirn ist. Neben zahlreichen Untersuchungen in Tiermodellen wird dies durch eine Reihe von Humanstudien bestätigt, die eine Verbindung zwischen Fruktose-Konsum und kognitiven Störungen nahelegen: So zeigte die Framingham Heart Study, dass der Verzehr von Softdrinks und Fruchtsäften, die hohe Menge an Fruktose beinhalten, recht eindeutig mit einer dosisabhängigen Volumenverringerung des gesamten Gehirns, insbesondere des Hippocampusvolumens, die mit einer Verschlechterung des episodischen Gedächtnisses korrelierte (2). Die Gehirne von kleinen Kindern sind besonders anfällig für die schädlichen Effekte der Fruktose (3).
Fruktosestoffwechsel war ein Überlebensprogramm in der Urzeit
In einer aktuellen Studie, die im März 2023 veröffentlicht wurde (4), haben Wissenschaftler der University of Colorado ein überraschendes Bindeglied zwischen der Nahrungssuche in der Urzeit und der Alzheimererkrankung gefunden: die Fruktose.
Denn im Gegensatz zur heutigen Zeit waren in der damaligen Zeit überlebenswichtige Ressourcen, wie genügend Nahrung, Wasser und Sauerstoff, nicht gesichert. Sobald diese knapp wurden, half sich der menschliche Organismus mit einer Art Überlebensprogramm, der Produktion von Fruktose. Dieser Zucker kann die Gehirnareale gezielt beeinflussen, so dass dem Menschen ein fokussierter und somit effektiver Beutefang möglich war. Dazu waren eine schnelle Reaktion, ein hohes Maß an Impulsivität und ein Erkundungsverhalten mit Risikobereitschaft erforderlich, während Eigenschaften wie ein zu langes Überlegen, störende Gedanken, Erinnerungen, Emotionen und Zeitgefühl dabei eher hinderlich waren.
Genau diese Wirkungen erzielt die Fruktose im Gehirn, indem sie die Durchblutung in der Großhirnrinde (Kortex) und in anderen wichtigen Arealen (wie im Hippocampus, im cingulären Kortex und im Thalamus) verringert und gleichzeitig die Durchblutung im Bereich des visuellen Kortex, der mit der Nahrungsbelohnung in Verbindung steht, erhöht (5).
Ist Alzheimer eine Anpassung an einen evolutionären Überlebensweg?
So vermuten die Autoren dieser Studie (4), dass die Fruktose-abhängige Verringerung des Stoffwechsels in diesen Hirnregionen anfänglich reversibel und von der evolutionären Seite her als vorteilhaft gedacht war. In anderen Worten: Der Fruktose-Stoffwechsel war also in der Urzeit, die durch Ressourcenknappheit geprägt war, ein lebensnotwendiger Prozess, den geringen Energiepool sinnvoll einzusetzen und zu überleben.
Heute dagegen leben wir in einer Zeit, in der zumindest in der westlichen Welt ein großer Überfluss an Ressourcen besteht. Fruktose wird exzessiv verzehrt, insbesondere durch industriell gesüßte Lebensmittel, Getränke und Lifestyleprodukte. Allerdings erkennt der Fruktosestoffwechsel keinen Unterschied: der „Überlebensmechanismus“ bleibt bei hohem Fruktosekonsum ständig eingeschaltet und schlimmer noch: Dies führt wiederum zu einem übermäßigen Verzehr von fett-, zucker- und salzhaltigen Lebensmitteln, was eine zusätzliche Fruktoseproduktion im Körper auslöst. Ein Teufelskreis beginnt.
Es wurde bereits durch bildgebende Diagnostik nachgewiesen, dass bei Alzheimer schon früh ein Rückgang des Glukosestoffwechsels und des intrazellulären ATP-Spiegels in bestimmten Hirnarealen, wie im Hippocampus, im entorhinalen Kortex, im posterioren cingulären Kortex und im mittleren temporalen Gyrus einsetzt, wobei andere Areale im Gegensatz dazu verschont bleiben (6). Dies entspricht recht genau den Regionen, die auch von Fruktose betroffen sind.
Die Wissenschaftler aus Colorado vermuten daher, dass der durch den heutigen Lebenstil ständig eingeschaltete Fruktose-Stoffwechsel, der eine energetische zelluläre Minderversorgung, eine mitochondriale Dysfunktion und den damit verbundenen oxidativen Stress zur Folge hat, zur neuronalen Entzündung (Neuroinflammation) und zur zerebralen Insulin-Resistenz führen kann. Dies wäre für die Alzheimer-sensiblen Hirnareale, wie für den Hippokampus, äußerst fatal und könnte zum fortschreitenden Absterben der Neuronen (Nervenzellen) und zur Gehirnatrophie (Schrumpfen der Hirnmasse) mit allen Merkmalen der Alzheimer Erkrankung führen.
Die Autoren ziehen daraus die Schlussfolgerung, dass die Alzheimer-Erkrankung eine schädliche Anpassung an diesen evolutionären Fruktose-vermittelten Überlebensweg sein könnte.
Auch wenn dies nur eine Hypothese ist, ist sich die Wissenschaft einig, wie schädlich sich Fruktose auf die kognitive Funktion auswirkt, insbesondere wenn sie in Form von Flüssigzucker und/oder einfach zu viel von ihr verzehrt wird.
Die gute Nachricht aber ist, dass Sie mit diesem Wissen die Möglichkeit haben, eine Fruktose-Überflutung in Ihrer Ernährung zu vermeiden. Hier sind unsere Empfehlungen:
- Meiden Sie industriell hergestellte Lebensmittel, da sie meist „übersüßt“ sind, also viel zu viel Zucker enthalten, und dazu meist der stark Fruktose-haltige Flüssigzucker verwendet wird.
- Lesen Sie genau in der Zutatenliste, denn Fruktose versteckt sich gerne unter anderen Namen wie z.B. „Fruchtzucker“ „Fruktosesirup“, „Fruktose-Glukosesirup“, „Glukose-Fruktosesirup“, „Fruchtsüße“, „Maissirup“ oder „Isoglukose“.
- Vermeiden Sie auch zuhause die Verwendung von Haushaltszucker, der auch zu 50% aus Fruktose besteht.
- Trinken Sie möglichst keine unverdünnten Fruchtsäfte oder konzentrierte Fruchtschorlen, da diese hohe Mengen an Fruktose enthalten, die schnell resorbiert werden.
- Dagegen können Sie in Obst, zumindest in Maßen, bedenkenlos verzehren, möglichst in Bio-Qualität und mit Schale. Der darin enthaltene natürliche vorkommende Fruchtzucker ist, sofern nicht schon gesundheitliche Vorschädigungen vorliegen, weitestgehend unkritisch.
- Vermeiden Sie auch die im Rahmen einer gesunden Ernährung oftmals propagierte Alternativsüße aus Agavendicksaft: Sie enthält deutlich höhere Fruktosemengen als Haushaltszucker.
- Versuchen Sie, eine Fruktosemenge von 25 g am Tag nicht zu überschreiten.
- Um die körpereigene Fruktoseproduktion möglich nicht in Gang zu setzen, meiden Sie darüber hinaus Alkoholkonsum, den Verzehr von leeren Kohlenhydraten (wie z.B. Weißbrot) und den Verzehr von stark gesalzenen Lebensmitteln.
Besuchen Sie uns gerne bei Kompetenz statt Demenz – hier finden Sie dort noch tiefergehende Informationen zum Thema Zucker und viele weitere Möglichkeiten zur wirkungsvollen Alzheimer-Prävention.
Fangen Sie heute noch damit an – Ihre (Hirn)Gesundheit wird es Ihnen danken!
Referenzen:
- Basaranoglu, Metin; Basaranoglu, Gokcen; Sabuncu, Tevfik; Sentürk, Hakan (2013): Fructose as a key player in the development of fatty liver disease. In: World J. Gastroenterol. 19 (8), S. 1166–1172. DOI: 10.3748/wjg.v19.i8.1166.
- Pase, M. P., Himali, J. J., Jacques, P. F., DeCarli, C., Satizabal, C. L., Aparicio, H., et al. (2017). Sugary beverage intake and preclinical Alzheimer’s disease in the community. Alzheimers Dement. 13, 955–964. doi: 10.1016/j.jalz.2017.01.024
- Cohen, J. F. W., Rifas-Shiman, S. L., Young, J., and Oken, E. (2018). Associations of prenatal and child sugar intake with child cognition. Am. J. Prev. Med. 54, 727–735. doi: 10.1016/j.amepre.2018.02.020
- Richard J. Johnson, Dean R. Tolan, Dale Bredesen, Maria Nagel, Laura G. Sánchez-Lozada, Mehdi Fini, Scott Burtis, Miguel A. Lanaspa, David Perlmutter, Could Alzheimer’s disease be a maladaptation of an evolutionary survival pathway mediated by intracerebral fructose and uric acid metabolism?, The American Journal of Clinical Nutrition, 2023, ISSN 0002-9165, https://doi.org/10.1016/j.ajcnut.2023.01.002.
- Page KA, Chan O, Arora J, Belfort-Deaguiar R, Dzuira J, Roehmholdt B, Cline GW, Naik S, Sinha R, Constable RT, et al. Effects of fructose vs glucose on regional cerebral blood flow in brain regions involved with appetite and reward pathways. JAMA 2013;309(1):63-70.doi:10.1001/jama.2012.116975.
- Brun A, Gustafson L. Distribution of cerebral degeneration in Alzheimer’s disease. A clinico- Journal Pre-proof pathological study. Arch Psychiatr Nervenkr (1970) 1976;223(1):15-33. doi: 10.1007/BF00367450
Foto von Liliana Olivares auf Unsplash