Neueste klinische Studien zeigen: Das natürlich vorkommende Polyamin Spermidin schützt unser Gehirn
Spermidin, chemisch auch als N-(3-Aminopropyl)butan-1,4-diamin bezeichnet, gehört zu den natürlich vorkommenden Polyaminen. Es kommt als natürliche Substanz im Aminosäurestoffwechsel in allen lebenden Organismen und in allen Körperzellen, und daher auch in einer Vielzahl von pflanzlichen und tierischen Nahrungsmitteln vor. Besonders reichhaltige Nahrungsmittelquellen sind Weizenkeime, aber auch Hartkäse, getrocknete Sojabohnen und einige andere Lebensmittel liefern ordentliche Mengen an Spermidin. Erst kürzlich wurde in Mäusen nachgewiesen, dass Spermidin aus der Nahrung auch tatsächlich das Gehirn erreicht, somit also die Blut-Hirn-Schranke passiert (1)
Man weiß schon länger, dass Spermidin ein wirksamer Auslöser für den Zellreinigungsprozess Autophagie (aus dem Griechischen übersetzt „sich selbst essen“) ist. Das bedeutet, dass es in der Lage ist, zelluläre Prozesse des Fastens nachzuahmen. Die Autophagie gilt auch im Rahmen der Gesunderhaltung als wichtiger Baustein, da durch diese Prozesse zellulärer ‚Müll‘, wie z.B. fehlgefaltete Proteine oder beschädigte Zellbestandteile, entsorgt werden, die im Alter beispielsweise zur Neurodegeneration führen können.
Aufbauend auf diesen gut belegten altersprotektiven und Autophagie-fördernden Eigenschaften von Spermidin rückte daher in den letzten Jahren eine mögliche Neuroprotektion (Schutz des Nervensystems) in den Fokus der Spermidin-Forschung.
Nachdem es sich in präklinischen Studien in Tiermodellen in den letzten Jahren bereits klar erwiesen hat, dass Spermidin starke hirnschützende Eigenschaften hat, finden aktuell immer mehr Humanstudien statt, um diese Evidenz auch am Menschen zu bestätigen.
Eine Forschergruppe aus Österreich spekulierte in einer aktuellen Interventionsstudie, dass aufgrund eines direkten Zusammenhangs zwischen Spermidin und dem Auftreten von Demenzerkrankungen der Gehalt dieses biogenen Amins mit zunehmendem Alter abnehmen müsste und dass sich demnach die orale Supplementierung von Spermidin positiv auf die Gedächtnisleistung auswirken könnte (2,3).
Zur Untersuchung dieser Hypothesen wurden in einer multizentrischen Doppelblindstudie 92 Pflegeheimbewohner im Alter von 60 bis 96 Jahren mit leichten kognitiven Einschränkungen rekrutiert und per Zufallsprinzip in 2 Gruppen eingeteilt. Beide Gruppen erhielten an 6 Tagen pro Woche eine Semmel mit Weizenkeimen zum Frühstück. In der ersten Gruppe betrug der Spermidin-Gehalt pro Gebäckstück 3,3 mg Spermidin nach dem Backvorgang. In der zweiten Gruppe B erhielten die Probanden ein Gebäck, welches 1,9 mg Spermidin enthielt.
Zur Überprüfung der kognitiven Leistungsfähigkeit wurde mit allen Teilnehmern zu Beginn und nach 3 Monaten eine sogenannte ‚CERAD Plus‘-Testung durchgeführt. Dieser Kognitionstest umfasst 7 Einzelprüfungen zur Beurteilung von Gedächtnis, Orientierung, Sprache und Motorik.
Die Ergebnisse belegten zunächst die Hypothese, dass der Spermidin-Spiegel mit zunehmendem Alter absinkt (2). Außerdem konnte gezeigt werden, dass es einen klaren Zusammenhang zwischen den nachgewiesenen Spermidin-Konzentrationen und der Gedächtnisleistung gibt. Der Vergleich der CERAD Plus Gesamtpunktzahl zeigte in beiden Interventionsgruppen einen signifikanten Anstieg: Im Schnitt verbesserte sich die erste Gruppe um 6,25 Punkte und die zweite um 4,00 Punkte. Somit war auch eine Dosis-Wirkungsbeziehung erkennbar.
Seit Abschluss der Studie erhalten alle Bewohnerinnen und Bewohner des Pflegeheimes, in dem die Studie stattgefunden hat, weiterhin eine Spermidin-reiche Kost. Eine erste Auswertung zeigte bereits, dass sich der Mini Mental Score (ein weiterer Kognitionstest) bei 42 % der getesteten Personen dadurch verbessert hat, eine detailliertere Auswertung steht noch an.
Diese Ergebnisse aus Österreich deckten sich auch mit den Erkenntnissen mit der sogenannten PreSmartAge-Studie, welche kürzlich an der der Berliner Charité durchgeführt worden ist. In dieser randomisierten Doppelblindstudie untersuchte eine Forschergruppe, ob Spermidin einen positiven Einfluss auf die Gedächtnisleistung bei Patienten mit leichten kognitiven Einschränkungen ausüben könnte (4). Dazu wurden 30 Teilnehmer zwischen 60 und 80 Jahren, welche unter einem selbst eingeschätzten, aber noch nicht klinisch manifestiertem Verlust der Gedächtnisfunktion litten, rekrutiert. Die Probanden schnitten nach 3 Monate langer Einnahme von 750 mg eines Spermidin-reichen Pflanzenextrakts, welcher eine Spermidin-Menge von 1,2 mg enthielt, in einem kognitiven Performance-Test besser ab als die Placebo-Gruppe. Die Einnahme von Spermidin über die Nahrung wirkte sich also positiv auf die Gedächtnisleistung bei älteren Erwachsenen mit beginnendem kognitivem Abbau aus. Diese positive Wirkung könnte, so schlussfolgerten die Forscher, durch die Stimulierung neuromodulatorischer Aktionen im Gedächtnissystem vermittelt werden (4).
Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse findet aktuell eine größer und länger angelegte Studie von derselben Berliner Forschungsgruppe statt: diese sog. SmartAge-Studie, eine randomisierte 12-monatige klinische Studie, untersucht die hirnschützenden Eigenschaften bei 100 Patienten mit beginnendem kognitivem Abbau (5,6). Die Ergebnisse dieser Studie sind allerdings noch nicht publiziert – wir werden Sie auf dem Laufenden halten!
Alle diese Daten bestätigen eindrucksvoll die Annahme, dass Spermidin innerhalb eines kurzen Zeitraumes bereits zu einer Verbesserung der Gedächtnisleistung führt und somit eine wichtige schützende Rolle in der Altersdemenz spielt. Mehr noch: Man könnte daraus auch die potenzielle Eignung des Spermidin-Plasmaspiegels auch als möglichen Biomarker-Kandidat zur Vorhersage der Alzheimer Krankheit ableiten, noch bevor die Funktionsdefizite auftreten.
Wenn Sie noch zusätzliche und detailliertere Informationen Spermidin und seinen Eigenschaften haben möchten, besuchen Sie uns gerne bei ‚Kompetenz statt Demenz‘ und schauen Sie hier nach. Auch finden Sie in unserer Mediathek zu diesem Thema das Video Alzheimer: Essen gegen das Vergessen ORF Treffpunkt Medizin.
Fazit:
Aufgrund dieser klaren wissenschaftlichen Datenlage gilt das natürlich vorkommende Polyamin Spermidin mittlerweile als vielversprechende Substanz, die das Potential hat, das Erkrankungsrisiko an einer Demenz zu reduzieren. Eine logische Konsequenz dieser Studien besteht in der oralen Einnahme von Spermidin, wenn der Labornachweis eine zu geringe Konzentration im Blut ergeben hat. Dies wird in Österreich bereits erfolgreich in Pflegeheimen umgesetzt.
Weiterhin ist die Hoffnung groß, dass man die Messung von Spermidin im Blut in Zukunft möglicherweise dazu nutzen könnte, um die Alzheimer-Erkrankung bereits vor dem Auftreten der Funktionsdefizite vorherzusagen.
Und auch Sie können dieses Wissen direkt für sich nutzen: Setzen Sie täglich Spermidin-reiche Nahrungsmittel auf Ihren Speiseplan, wie z.B. Weizenkeime: ein gehäufter Esslöffel enthält bereits 1-2 mg des schützenden Polyamins! Auf diese Weise können auch Sie direkt von den hirnschützenden Eigenschaften des Polyamins profitieren und geistig noch lange hellwach bleiben!
Referenzen
- Schroeder S, Hofer SJ, Zimmermann A , Pechlaner R, et al. (2021) Dietary spermidine improves cognitive function. Cell Reports. 35(2):108985. doi: 10.1016/j.celrep.2021.108985;
- Pekar T, Wendzel A, Flak W, Kremer A, Pauschenwein-Frantsich S, Gschaider A, Wantke F, Jarisch R. (2020) Spermidine in dementia: Relation to age and memory performance, Wien. Klin. Wochenschr., vol. 132, no. 1–2, pp. 42–46, Jan. 2020, doi: 10.1007/s00508-019-01588-7.
- Pekar T, Bruckner K, Pauschenwein-Frantsich S, Gschaider A, Oppliger A, et al. (2020) The positive effect of spermidine in older adults suffering from dementia: First results of a 3-month trial, Wien. Klin. Wochenschr., 2020, doi: 10.1007/s00508-020-01758-y.
- Wirth M, Benson G, Schwarz C, Köbe T, Grittner U, Schmitz D, et al. (2018). The effect of spermidine on memory performance in older adults at risk for dementia: A randomized controlled trial. Cortex. 109: 181–188. doi: 10.1016/j.cor-tex.2018.09.014
- Wirth M, Schwarz C, Benson G, et al. (2019) Effects of spermidine supplementation on cognition and biomarkers in older adults with subjective cognitive decline (SmartAge)-study protocol for a randomized controlled trial. Alzheimer’s Res. Ther., 11 (2019), p. 36ff.
- Klinische Studie SmartAge: https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT03094546